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Auswirkungen des Heil- und Hilfsmittelversorgungsgesetzes (HHVG) für Therapeuten oder die Anleitung zum Haare raufen

Veröffentlicht am 08.05.2017

am 16.02.2017 wurde wie erwartet durch den Deutschen Bundestag das HHVG beschlossen, welches seit April nach dem 2. Durchgang im Bundesrat nach Verkündung im Bundesgesetzblatt in Kraft getreten ist.

Kurz vor Toreschluss, wurde noch eine entscheidende Änderung in das Gesetz eingebracht und unter Absatz 1 Punkt 5 in den § 125 SGB V "Rahmenempfehlungen und Verträge" integriert.

Es handelt sich um die Vorgabe, die tatsächlich gezahlten Arbeitsentgelte der abhängig beschäftigten Therapeuten in den Therapiepraxen den Krankenkassen nachzuweisen.

Damit haben die Krankenkassen nun ein neues Instrument statt der mit dem HHVG weggefallenen Grundlohnsummenbindung1 Vergütungspreiserhöhungen für Heilmittelerbringer zu verweigern oder Vergütungssteigerungen nur noch in der Höhe zu genehmigen, in der höhere Lohnzahlungen von Seiten der Praxisinhaber nachgewiesen werden.

Nach mehr als 10 Jahren ohne beachtliche Preissteigerung für Heilmittelerbringerpraxen ist die Hinzufügung dieses Passus einmal mehr ein Schlag ins Gesicht, der die Vergütungsverhandlungen ab 2018 betreffen wird.

Die Vorgabe des Nachweises, spiegelt das generelle Misstrauen oder die Unkenntnis des Gesetzgebers gegenüber den Heilmittelerbringern wider, dass diese die Vergütungssteigerungen ihren therapeutischen Mitarbeitern nicht in entsprechendem Umfang weiter reichen. In Wahrheit haben viele Praxisinhaber seit langem notwendige Investitionen in ihre Praxen zurück gestellt, um die Mitarbeiter durch die niedrige Vergütung der Krankenkassen dennoch angemessen bezahlen zu können.

Praxisinhabern wird nun per se unterstellt, Mitarbeitern ihren Anteil an den Vergütungspreissteigerungen nicht weiter zu geben, zudem verhindert dieser Passus auch zukünftig relevante Investitionen in die Praxen und lenkt vor allem vom eigentlichen Thema ab, nämlich der jahrelangen Unterbezahlung von Heilmittelerbringern2.

Der Passus ist der Inbegriff der traditionellen Gängelung der Heilmittelerbringer.

Die Ausführungen des Bundesgesundheitsministeriums über die Bedeutung der Heilmittelerbringer, die angeblich über das HHVG zum Ausdruck gebracht wird, klingt in Anbetracht dieses Misstrauensvotums wie Hohn.

Andere wichtige Ausgaben der Heilmittelpraxen wie die in Fortbildung, Therapieausstattung und Technik werden vernachlässigt, da diese bei den Vergütungsverhandlungen zumindest nach der Gesetzesvorlage eben keine Berücksichtigung finden.

Wir wollen festhalten: Die Krankenkassen sind verpflichtet ihre Versicherten mit Heilmittelleistungen zu versorgen und müssten dafür an sich zehntausende Therapeuten selbst beschäftigen und demzufolge bezahlen.
Um das damit verbundene unternehmerische Risiko jedoch für die Krankenkassen zu vermeiden, wurde seinerzeit Heilmittelerbringern die Möglichkeit offeriert mittels Zulassung diese Aufgabe im Auftrage der Krankenkassen zu übernehmen.

Die Finanzierung des Risikos eines Selbstständigen im Heilmittelbereich findet sich in dessen Vergütung jedoch nicht wieder. Seit über 10 Jahren gibt es keine angemessene Steigerung der Vergütungspreise.

Auf Kosten der Heilmittelerbringer wurde und wird damit das Krankenkassenbeitragsniveau stabil gehalten. Ergotherapeuten leisten viel für die Gesundheit und Gesunderhaltung der Bevölkerung, aber verdienen wenig.

Die Krankenkassen und die Politik predigen Wasser, trinken aber selbst Wein.

Was hat sie den Therapeuten gebracht, die diplomatische Zurückhaltung der Verbandslobbyisten, der Einsatz von rhetorischen Finessen, der Stolz der Heilmittelverbände darüber, dass "man" nun endlich mitreden darf?
Am Ende gar nichts, es bleibt im Großen und Ganzen beim Alten.

Verhandlungen zweier ungleich starker Partner, übervorteilt systemisch einfach stets den Schwächeren der auf diplomatischem Wege mangels Gewicht keinen Einfluss nehmen kann.

Nicht umsonst gehen wir auf die Straße, um dieser himmelschreienden Ungerechtigkeit in der Gesellschaft Gehör zu verleihen.
Einmal mehr am 24. Juni 2017 in Berlin direkt vor dem Brandenburger Tor, nach Demonstrationen in München, Kiel, Essen und Leipzig.

Bei diesen Aktivitäten wird es nicht bleiben. Nach 13 Jahren sachlicher Argumente, die wir wieder und immer wieder höflich und mit Herzblut vorgebracht und erläutert haben, ist die Geduld des Bundesverbandes für Ergotherapeuten in Deutschland BED e.V. zu Ende.

Die zukünftigen Maßnahmen, um endlich tatsächliche positive Veränderungen für Ergotherapeuten zu bewirken, werden in Kürze vorgestellt, denn die Menschen die hier leben und erkrankt sind, haben nicht die Zeit auf ein Wunder zu warten!
Sie bedürfen bestmöglicher therapeutischer Behandlung - jetzt.

Der selbsternannte Spitzenverband der Heilmittelverbände und der damit angebliche Sprecher für alle Therapeuten interpretiert die Sachlage indes anders.

Die nachfolgenden indes Sinn ergebenden Änderungen des SGB V werden durch die Regelung in Punkt 5 des § 125 SGB V jedoch konterkariert und können damit ihre Wirkung nicht entfalten.

Dazu gehört die Anpassung der Schiedsregelung, die in Absatz 2 des § 125 SGB V aufgenommen wurde. Nun müssen die Vergütungspreise innerhalb eines Zeitraums von 3 Monaten festgelegt werden und kommen damit deutlich früher bei den Therapeuten an.

Dort heißt es:
"Über die Einzelheiten der Versorgung mit Heilmitteln,... über die Preise, deren Abrechnung und die Verpflichtung der Leistungserbringer zur Fortbildung schließen die Krankenkassen, ihre Landesverbände oder Arbeitsgemeinschaften Verträge mit Leistungserbringern oder Verbänden oder sonstigen Zusammenschlüssen der Leistungserbringer; die vereinbarten Preise sind Höchstpreise." ...

..."Soweit sich die Vertragspartner in den mit Verbänden der Leistungserbringer abgeschlossenen Verträgen nicht auf die Vertragspreise oder eine Anpassung der Vertragspreise einigen, werden die Preise von einer von den Vertragspartnern gemeinsam zu benennenden unabhängigen Schiedsperson innerhalb von drei Monaten festgelegt." ...
"Einigen sich die Vertragspartner nicht auf eine Schiedsperson, wird diese von der für die vertragsschließende Krankenkasse oder den vertragsschließenden Landesverband zuständigen Aufsichtsbehörde innerhalb eines Monats nach Vorliegen der für die Bestimmung der Schiedsperson notwendigen Informationen bestimmt"...
Zudem haben Widersprüche und Klagen gegen die Bestimmung der Schiedsperson keine aufschiebende Wirkung.

Durch die Einführung eines neuen Passus d in den § 64 SGB V werden zukünftig die Krankenkassen zudem gezwungen Modellvorhaben zur Heilmittelversorgung auch tatsächlich abzuschließen. Die Möglichkeit von Modellvorhaben besteht schon seit einigen Jahren, die Krankenkassen zeigten daran jedoch keinerlei Interesse, was nach obigen Ausführungen schwerlich wundert.

In diesen Modellvorhaben werden Heilmittelerbringer auf der Grundlage einer vertragsärztlich festgestellten Diagnose und Indikation für eine Heilmittelbehandlung die Auswahl und die Dauer der Therapie sowie die Frequenz der Behandlungseinheiten selbst bestimmen können.

Die damit einhergehende höhere Verantwortung der Heilmittelerbringer, insbesondere auf zukünftige Mengenentwicklungen bei Heilmitteln muss dabei jedoch Berücksichtigung finden. Das bedeutet nichts anderes als dass Heilmittelerbringer zukünftig statt der verordnenden Ärzte selbst in Regress genommen werden, wenn diese bestimmte Mengenvorgaben überschreiten.
Zudem werden für diese scheinbare Entscheidungsfreiheit der Heilmittelerbringer besondere Anforderungen an die Qualifikation der Therapeuten gestellt.
Bis das erste Modellvorhaben jedoch tatsächlich steht, wird noch einiges Wasser Rhein und Ruhr herunter fließen.

Derweil werden wir für Ergotherapeuten bereits zu neuen Ufern unterwegs sein.

Bei Fragen dazu stehen wir Ihnen immer gerne zur Verfügung.

Ihr

BED e.V.



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1 Durch die Bindung an die Grundlohnsumme waren Vergütungspreissteigerungen für Heilmittelerbringer nur in der prozentualen Höhe möglich, wie die Beitragseinnahmen der Krankenkassen im vorangegangenen Jahr vor der Vergütungsverhandlung angestiegen waren. siehe: http://www.bundesgesundheitsministerium.de/themen/krankenversicherung/zahlen-und-fakten-zur-krankenversicherung/kennzahlen-daten-bekanntmachungen.html. Der Wegfall der Grundlohnsummenbindung als Deckelung der Vergütungspreissteigerung für Heilmittlerbringer erfolgt ohnehin zunächst lediglich für die Jahre 2017-2019.

2
Der BED e.V. wird zeitnah seine selbstständigen Mitglieder in einer persönlichen Nachricht bitten, anonymisiert ihre BWAs und/oder Jahresabschlüsse aus diesem Zeitraum einzureichen.

Auf unserer Webseite arbeiten wir teilweise sprachlich dem Duden entsprechend mit dem generischen Maskulinum. Dies bedeutet, dass die allgemein bekannte verallgemeinernde, grammatikalisch männliche Bezeichnung gewählt wird. Hiermit sind in jedem Fall Personen aller Geschlechter gleichermaßen gemeint.
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