Veröffentlicht am 10.09.2006
In der großen Koalition hält der Streit um die verschobene Gesundheitsreform an. Auch in der CSU formiert sich Widerstand gegen den geplanten Gesundheitsfonds. Man solle lieber "im bewährten System weiterfahren", sagte CSU-Landesgruppenvize Max Straubinger. SPD-Chef Kurt Beck erteilte am Wochenende allen Änderungswünschen eine Absage. Ein Schätzerkreis von Kassen und Bundesversicherungsamt (BVA)prognostizierte unterdessen für 2007 einen um 0,74 Prozentpunkte höheren Finanzbedarf. Die Bundesregierung erwartet weiter eine Beitragssteigerung um 0,5 Punkte.
Straubinger kritisierte, mit dem Gesundheitsfonds würden "Elemente verbunden, die nicht zu verbinden sind", nämlich die von der SPD favorisierte Bürgerversicherung und das Unions-Modell einer Gesundheitsprämie. Man könne daraus kein Kompromissmodell zimmern, sagte Straubinger und fügte hinzu: "Dann lassen wir es so, wie es ist."
Generell gibt es in der CSU offenbar großen Unmut über Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD). Wie das Magazin "Focus" berichtet, heißt es in einer Vorlage des bayerischen Sozialministeriums für CSU-Chef Edmund Stoiber, auch Schmidts zweiter Arbeitsentwurf zur Gesundheitsreform sei von den vereinbarten Eckpunkten nicht gedeckt. Das Gesundheitsministerium habe die Eckpunkte anders ausgelegt als die Union und zum Teil auch im echten Widerspruch zu den Vereinbarungen gehandelt. Stoiber habe daher beim Koalitionsausschuss am vergangenen Mittwoch auf eine Verschiebung der Reform gedrängt.
Beck stellte klar: "Die vereinbarten Eckpunkte der Gesundheitsreform gelten." Es gehe nun darum, solide Arbeit bei der Gesetzgebung zu leisten. Der linke SPD-Flügel und SPD-Gesundheitspolitiker Karl Lauterbach hatten nach der am Mittwoch beschlossenen Verschiebung der Reform auf den 1. April 2007 einen Verzicht auf das Fondsmodell verlangt.
Lauterbach warnte erneut vor einem drastischen Anstieg der Beitragssätze in der Gesetzlichen Krankenversicherung. Er rechne mit einem Anstieg von heute 14,2 Prozent im Schnitt auf bis zu 15,7 Prozent im Jahr 2009.
Der Schätzerkreis von Kassen und BVA begründete den erhöhten Finanzbedarf nach Angaben der Zeitung "Die Welt" mit der Kürzung des Steuerzuschusses und der anstehenden Mehrwertsteuererhöhung. Zudem stiegen die Ausgaben der Kassen 2007 wesentlich stärker als die Einkommen ihrer Mitglieder.
Das Bundesgesundheitsministerium wies die Prognose zurück. Die Berechnung ignoriere die Einsparungen im Zuge der Gesundheitsreform, sagte eine Sprecherin. Obwohl die Reform nun erst zum April kommen soll, werde weiter ein Spareffekt von 1,9 Milliarden Euro bereits 2007 erwartet. Zudem verbuchten die Kassen in 2006 mehr Einnahmen und weniger Ausgaben als geplant, so dass sie mit einem "Polster" ins nächste Jahr gingen.
Der Schätzerkreis äußerte Zweifel an den Sparzielen der Reform, will seine Prognose aber im Oktober noch einmal überprüfen. Auch die Kassenverbände hätten die Regierungsprognose mehrfach angezweifelt und um 0,7 Prozentpunkte höhere Beiträge vorausgesagt.
So, 10.09.2006 09:18 / Jan Staiger, ddp