Veröffentlicht am 14.11.2008
Folgend finden Sie die Schreiben von Dr. Rolf Koschorrek (Mitglied der CDU-Landesgruppe Schleswig-Holstein und Mitglied des Gesundheitsausschusses im Deutschen Bundestag) und C. Ilawa (Info-Service der Bundestagsfraktion, Bündnis 90/Die Grünen) auf die Forderung der Abschaffung der Wirtschaftlichkeitsprüfung in der vertragsärztlichen Versorgung SGB V § 106.
Schreiben von C. Ilawa (Info-Service der Bundestagsfraktion, Bündnis 90/Die Grünen)
Sehr geehrte Frau Donner, vielen Dank für Ihren Brief aus dem August, in dem Sie die Abschaffung der Wirtschaftlichkeitsprüfungen bei Heilmittelverordnungen fordern: Wir teilen Ihr Anliegen, dass Patientinnen und Patienten, die auf ein Heilmittel angewiesen sind, dieses auch erhalten. Und wir stimmen Ihrer Aussage zu, dass der Bedarf an Heilmitteln aus Gründen gestiegen ist, die nicht von den verordnenden Ärzten und den Heilmittelerbringern zu verantworten sind. Dieser gestiegene Bedarf führt selbstverständlich auch zu zusätzlichen Ausgaben. Allerdings glauben wir nicht, dass zur Gewährleistung der notwendigen Heilmittelversorgung die vollständige Abschaffung der Wirtschaftlichkeitsprüfungen notwendig und sinnvoll ist.
Ihr Vorschlag, bei Ärztinnen und Ärzte, die auf der Grundlage des Heilmittelkatalogs verordnen, keine Wirtschaftlichkeitsprüfungen mehr durchzuführen, hat auf den ersten Blick etwas Bestechendes. Bürokratischer Aufwand würde vermieden. Den Ärztinnen und Ärzten würde der Arbeitsalltag erheblich erleichtert. Klagen von Heilmittelerbringern, dass die Ärztinnen und Ärzte in vielen Regionen bei der Heilmittelverordnung viel zu restriktiv seien, hätten ein Ende.
Trotzdem sind wir von Ihrem Vorschlag nicht überzeugt - und das hat folgenden Grund: Die Heilmittelrichtlinien beziehen sich auf das Verordnungsverhalten des Arztes bei einem von ihm selbst festgestellten Krankheitsbild. Sie definieren Art und maximalen Umfang von Heilmittelverordnungen bei einer bestimmten Indikation. Die Indikationsstellung selbst wird nicht in Augenschein genommen. Zudem werden nur Höchstverordnungsmengen aufgeführt. Die Frage, ob im konkreten Einzelfall auch eine geringere Verordnungsmenge ausreicht, ist auch weiterhin vom Arzt zu entscheiden. Dagegen hat die Wirtschaftlichkeitsprüfung einen anderen Focus. Bei ihr interessiert neben der Qualität und Wirtschaftlichkeit einer Verordnung, auch deren Notwendigkeit. Damit unterscheidet sie sich in ihrer Reichweite deutlich von den Heilmittelrichtlinien.
Wir sind uns darüber im Klaren, dass die Wirtschaftlichkeitsprüfung für die betroffenen Ärztinnen und Ärzte sowie indirekt auch für die Heilmittelerberinger zu erheblichen Belastungen führt. Wir glauben aber auch, dass wir in einem durch Pflichtbeiträge finanzierten System, in dem die Leistungsnachfrage wesentlich durch die Leistungsanbieter bestimmt wird, auf Prüfverfahren nicht einfach verzichten können. Dies gilt umso mehr, als infolge der beiden letzten Gesundheitsreformen, die Bedeutung der Indikationsstellung durch die Ärztinnen und Ärzte für die Ausgaben der gesetzlichen Krankenversicherung noch zunehmen wird. Ab dem kommenden Jahr wird die ärztliche Gesamtvergütung maßgeblich von der Krankheitshäufigkeit im jeweiligen KV-Bezirk mitbestimmt werden. Wir begrüßen diese Weiterentwicklung des ärztlichen Honorarsystems, weil die mit dem demografischen Wandel zunehmenden Belastungen der Ärztinnen und Ärzte fair entgolten werden müssen. Wir sehen aber auch, dass die Dokumentation der Morbidität innerhalb einer Region über die Indikationsstellungen der Ärztinnen und Ärzte erfolgt. Damit können Anreize zur „Krankschreibung“ entstehen. Auch vor diesem Hintergrund würden wir einen Wegfall der Wirtschaftlichkeitsprüfungen für falsch halten.
Allerdings werden mit dem neuen Honorarsystem die Ärztinnen und Ärzte flexibler verordnen können und wird der Ausgabendeckel weitaus weniger starr sein als bisher. Das sollte sich für die Heilmittelerbringer positiv bemerkbar machen.
Mit freundlichen Grüßen
C. Ilawa
Info-Service der Bundestagsfraktion
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