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Aufruhr im Rheinland - Umstellung der Finanzierung therapeutischer Leistungen in Kindertagesstätten

Veröffentlicht am 28.08.2014

Das Rheinland befindet sich in einem Ausnahmezustand seitdem der Landschaftsverband Rheinland LVR die Änderung der Finanzierung therapeutischer Leistungen in Kindertagesstätten bekannt gab.
 
Zunächst richtet der LVR sein Finanzierungssystem zukünftig am einzelnen Kind aus, welches wesentlich behindert oder von einer wesentlichen Behinderung bedroht ist, statt wie bisher auf die integrative Gruppe in der jeweiligen Einrichtung, weil im Rheinland lediglich in rund 640 der dortigen rund 5.500 Kitas auch Kinder mit einer Behinderung betreut werden, während in Westfalen, das schon seit jeher sein Fördersystem auf das Kind bezog, in fast 3.000 Kitas diese Möglichkeit besteht. Die wohnortnahe Betreuung behinderter oder von Behinderung bedrohter Kinder spielt jedoch bei der Inklusion eine große Rolle, da nur so Freundschaften und soziale Kontakte außerhalb der Schulzeit von den Kindern gepflegt werden können.
 
Durch die bisherige institutionelle Förderung der integrativen Gruppen über den LVR wurden von den Einrichtungen überwiegend fest angestellte Therapeutinnen und Therapeuten beschäftigt. Mit der Ergänzung der Heilmittelrichtlinie 2011, um die Möglichkeit der therapeutischen Behandlung in den Kindertageseinrichtungen bildete sich der LVR die Meinung, dass damit auch die Kosten der therapeutischen Leistungen in den Einrichtungen die ärztlich verordnet sind von den Krankenkassen zu tragen seien.
 
Zur Überraschung aller stimmten die Krankenkassen der Darlegung des LVR zu.
 
Mit genauer Sichtung und Branchenkenntnis des darauf basierenden Mustervertrages, sowie der Gesprächsniederschrift zwischen Landesverbänden der Krankenkassen und LVR wird klar, warum die Landesverbände der Krankenkassen im Rheinland sich so bereitwillig zur Kostenübernahme verpflichtet haben.
 
Die Krankenkassen versuchen nämlich über ein stark vereinfachtes Zulassungsverfahren, die Kindertageseinrichtungen selbst zu einer eigenen Zulassung im Heilmittelbereich zu animieren, zu Vergütungspreisen, die um 20 % gekürzt wurden! Die Kürzung erfolgte mit dem fadenscheinigen Grund, die Einrichtungen hätten eine fehlende Praxisstruktur und entsprechend verringerte Fixkosten.
 
Die Gefahr besteht nun darin, dass viele Kindertageseinrichtungen versuchen werden, diese scheinbar verlockenden Nebeneinnahmen "mitzunehmen", denn die Einrichtungen müssen z.B. therapeutische Mitarbeiter anders als Praxen nicht mindestens mit 32 h beschäftigen. Zudem können Ergotherapeuten, Physiotherapeuten und Logopäden schnell durch eine lediglich 25 Tage dauernde Qualifizierung in Pädagogik der Kindheit und Entwicklungspsychologie, die gar berufsbegleitend absolviert werden kann, pädagogische Anteile im Kindergarten übernehmen die dann vom LVR wieder getragen werden, siehe Kindertagesbetreuungsgesetz § 7 Absatz 10.
Besonders hervorzuheben ist, dass Träger von mehreren Kindertageseinrichtungen Kompetenzzentren bilden dürfen, nur eine der Einrichtungen muss dann räumlich und sachlich die Voraussetzungen erfüllen, obwohl an allen Orten Therapien durchgeführt werden dürfen. Qualitätssicherung verkommt hier zur Worthülse.
 
Erst an dritter Stelle wird erwähnt, dass zwischen Kindertageseinrichtungen und Freien Therapeuten ebenfalls Kooperationen für die therapeutische Leistungserbringung geschlossen werden können. Auch hier sucht man allerdings vergeblich nach Qualitätssicherungsmaßnahmen was die sachliche und räumliche Ausstattung betrifft.
Wörtlich heißt es:
..."Die erforderliche ungestörte Atmosphäre kann ebenso in einem Nebenraum oder in einem Mehrzweckraum für die Zeit der Therapie gewährleistet werden."...
Therapien in den Besenkammern werden damit bittere Wirklichkeit.
 
Der LVR weist darauf hin, dass sich das Modell der Kooperation mit Freien Praxen insbesondere für Kindertageseinrichtungen ohne Erfahrung mit inklusiver Betreuung anbiete, wenn jene zunächst nur eine Stelle besetzen möchten und die Bildung eines Kompetenzzentrums auf Grund zu großer Entfernungen zwischen den einzelnen Kindertageseinrichtungen nicht möglich sei.
Damit ist klar wohin die Reise gehen soll. Der LVR rät den Kindertageseinrichtungen zur eigenen Kassenzulassung und nur, wenn sich diese bei einem behinderten Kind nicht lohne, könne man ja auf die Freien Praxen zurückgreifen.
 
Grotesk ist der Satz am Rande: ..."Für Eltern eines Kindes mit Behinderung, die die Therapie in eigener Regie und Verantwortung außerhalb der Kita organisieren möchten, besteht selbstverständlich die Option, auch eine Kita auszuwählen, die entsprechende Therapieangebote vor Ort nicht vorhält. An eine Platzreduzierung und eine Fachkraftstundenzahlerhöhung ist allerdings auch diese Kita bei der Aufnahme eines Kindes mit Behinderung gebunden, wenn die LVR-Kindpauschale beantragt wird."...
Welche Kindertageseinrichtung bei dieser monetär relevanten Konsequenz nicht auf die Eltern massiv einwirkt, die Therapie des Kindes durch eigenes Personal durchzuführen, die möchte der BED e.V. gerne mal sehen.
 
Folgende Konsequenzen ergeben sich durch diesen Vertrag:
 
  1. Es kommt zu einer Verwässerung der therapeutischen Kompetenz, durch parallel über den Träger wirtschaftlich ambitionierten pädagogischen Einsatz auch therapeutischer Kräfte, um jene doppelt zu finanzieren.
  2. Nicht die Qualität und damit der Erfolg der Behandlung wird mehr oberstes Ziel sein, sondern ein Maximum an Gewinn für die Träger der Einrichtung.
  3.  Den freien Therapiepraxen im Rheinland werden über die Möglichkeit der eigenen Zulassung der Kindertageseinrichtungen massiv Umsatz und Patientenklientel entzogen.
  4. Etliche Verordnungen werden von Ärzten nicht mehr ausgestellt werden, um von vorne herein die Einleitung eines Regressverfahrens zu verhindern, denn nicht alle Behinderungen finden sich in der Diagnoseliste mit langfristigem Heilmittelbedarf und nur jene führen bekanntermaßen zum direkten Vorabzug vor Einleitung eines Verfahrens.
  5. Niedrigste Bezahlung angestellter Therapeuten durch die Kürzung der Heilmittelvergütungssätze bei Therapien in Kindertageseinrichtungen. 
  6. Die Preise für Heilmittelleistungen sinken durch diese Maßnahme in den betreffenden Fällen um 20 %.
 
Wir können die Mitarbeiter der Landesverbände der Krankenkassen regelrecht Lachen sehen, beim Gedanken an die Ersparnis durch die scheinbare Erfüllung des Wunsches des LVR.
 
Wir vom BED e.V. werden alles für unsere Therapeuten daran setzen, dass Kindertageseinrichtungen keine Heilmittelzulassungen in der Form erhalten.
 
Mit dem Ministerium für Gesundheit in NRW wird in Kürze diese Thematik diskutiert und das Land zur Unterstützung aufgefordert. Vom BED e.V. wurde das Ministerium über die Entwicklungen bereits in Kenntnis gesetzt.
 
Zudem haben wir den zuständigen Vorsitzenden des LVR-Landesjugendhilfeausschusses bereits um ein Gespräch gebeten, da es scheint, als sei der LVR völlig unbedarft und ohne Realisierung der Konsequenz in diese Situation geschliddert. Dabei verfolgen wir das Ziel zeitnah zu einer Konsenslösung für Kinder, Eltern, Einrichtungen und Heilmittelerbringer zu kommen.
 
Die Befürchtungen der derzeit frei beschäftigten Therapeuten auf selbstständiger Basis, zukünftig zu Dumpingpreisen mit 20 % unter den regulären Preisen im Rheinland abrechnen zu müssen, sind jedoch unbegründet, denn es heißt auf Seite 4 unter Punkt 5 der Gesprächsniederschrift:
"Soweit externe niedergelassene therapeutische Kräfte die Heilmittel erbringen, gelten die regulären Vergütungsbedingungen."
An der Wortwahl ist aber bereits zu erkennen was die Krankenkassen anstreben und forcieren werden: Für Heilmittelerbringung zukünftig 20 % weniger zu zahlen.
 
Die Befürchtung, dass auch Regelkinder mit Heilmittelbedarf den Behandlungen in den Kindertageseinrichtungen zum Opfer fallen ist mehr als wahrscheinlich.
 
Über die weiteren Entwicklungen halten wir sie auf dem Laufenden.

Die weiteren Details zu dem Thema finden Sie hier:
 
Bei Fragen hierzu stehen wir Ihnen immer gerne zur Verfügung.

Auf unserer Webseite arbeiten wir teilweise sprachlich dem Duden entsprechend mit dem generischen Maskulinum. Dies bedeutet, dass die allgemein bekannte verallgemeinernde, grammatikalisch männliche Bezeichnung gewählt wird. Hiermit sind in jedem Fall Personen aller Geschlechter gleichermaßen gemeint.
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