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"Im Fehler-Prozess haben Patienten noch immer schlechte Karten"

Veröffentlicht am 23.09.2007

Interview mit dem Medizin-Fachanwalt Dr. Roland Uphoff

(06.09.07) Wer als geschädigter Patient einen Behandlungsfehlerprozess anstrengt, braucht Zeit und gute Nerven. "Der Alltag des Arzhaftungsrechtes zeigt, dass die Patientenrechte nur bedingt gewährleistet sind", sagt Dr. Roland Uphoff. Der Bonner Fachanwalt für Medizinrecht bemängelt im Gespräch mit dem AOK-Mediendienst unter anderem die "übermächtige Rolle" der gerichtlich bestellten Sachverständigen. Und auch in Sachen Aufklärungsbogen und Behandlungsdokumentation besteht aus Sicht des Juristen Nachbesserungsbedarf in Sachen Patientenrechte.


Herr Dr. Uphoff, in der Praxis gibt es immer wieder Ärger um Behandlungsunterlagen. Etwa, wenn sich Dokumentation und Erleben des Patienten deutlich unterscheiden. Wie erklären Sie sich das?


Uphoff: Die Rechtsprechung sagt, dass die Behandlungsdokumentation "wahr, vollständig und widerspruchsfrei" sein muss. Da erlebe ich zum Teil erhebliche Widersprüche zu den Berichten von Patienten. Sie berichten zum Beispiel häufig, dass sie Schmerzen hatten, obwohl das nicht in den Unterlagen vermerkt ist. Leider ist häufig zu vermuten, dass Behandlungsunterlagen auch von Seiten der Ärzte nachträglich verändert werden – eventuell auch im Hinblick auf Schadensersatzprozesse nachgeschrieben werden. Leider erlebe ich auch immer wieder Fälle, in denen Patienten mich einschalten, weil ihnen Behandlungsunterlagen trotz Aufforderung nicht ausgehändigt werden.

Jeder Operation geht ein Aufklärungsgespräch voran. Der Patient unterschreibt im Anschluss den Aufklärungsbogen. Auch an dessen Inhalt entzündet sich häufig Streit, wenn es um mögliche Behandlungsfehler geht...

Uphoff: In der Praxis passiert es, dass Aufklärungsbögen, die Patienten unterschrieben haben, nachträglich korrigiert wurden. Ich erlebe nicht selten die Situation, dass Eltern von geburtsgeschädigten Kindern oder Patienten nach chirurgischen Eingriffen mir sagen, dass Eintragungen im Aufklärungsformular nicht vorhanden gewesen sind, als es ihnen zur Unterschrift vorgelegt wurde. Die einfachste und praktikabelste Lösung wäre es, dass der Patient nach dem Aufklärungsgespräch das unterschriebene Formular in Kopie erhält.

Wenn es zu einem Prozess kommt: Wie stehen die Chancen für den mutmaßlich geschädigten Patienten?

Uphoff: Der Patient muss in einem Prozess beweisen, dass ein Fehler mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit unterlaufen ist und dieser Fehler die Behinderung oder die Beschädigung verursacht hat. Diese hohe Hürde ist nur schwer zu nehmen. Die Chancen sind natürlich immer vom Einzelfall abhängig. Ich rate Patienten dringend dazu, sich auch medizinisch gründlich beraten zu lassen.

lm Behandlungsfehler-Prozess spielen Sachverständige eine wichtige Rolle. Sie kritisieren das Gewicht der "Richter in Weiß". Warum?

Uphoff: Die Richter sind in der Regel medizinische Laien. Der gerichtlich bestellte Sachverständige, der dem Gericht den Sachverhalt erläutern soll, ist de facto derjenige, der den Prozess entscheidet. Wenn er sagt, dass ein Behandlungsfehler vorliegt, dann wird das Gericht dem folgen. Andersherum folgt ihm das Gericht in 99,9 Prozent der Fälle, wenn er sagt, es liege kein Behandlungsfehler vor. Meine Erfahrungen zeigen, dass die in einem Rechtsstreit vom Gericht beauftragten Sachverständigen nur mit großer Zurückhaltung das Vorliegen eines "groben Behandlungsfehlers" bestätigen. Da fallen dann Formulierungen von "Behandlung war suboptimal" über "man hätte Maßnahmen ergreifen sollen" bis "der klinische Alltag erlaubt es nicht, diese Maßnahme zu ergreifen". Hier müssen die Rechte der Patienten unbedingt gestärkt werden.

Ihr Vorschlag?

Uphoff: Indem zum Beispiel auch Gutachter angehört werden müssen, die vom Patienten eingeschaltet werden. Um es überspitzt zu formulieren: Bisher kann der Gerichtsgutachter den Richtern erklären, dass die Erde eine Scheibe ist. Der vom Patienten eingeschaltete Privatgutachter wird dagegen weitgehend ignoriert.

Im Prozess müssen die Patienten beweisen, dass ein Fehler passiert ist und dass dieser eine bestimmte Folge hatte. Müsste nicht viel mehr der Arzt sich entlasten, wenn ein Fehler festgestellt wurde?

Uphoff: Dafür setzen sich ja auch Patientenvertreter zu recht ein. Der Gesetzgeber und die Rechtsprechung sollten die Weichen so stellen, dass ein Patient die Chance bekommt, einen Prozess auch dann zu gewinnen, wenn er "nur" beweisen kann, dass dem Arzt oder Krankenhaus ein Fehler unterlaufen ist. Die weitere Beweislast – dass nämlich dieser Fehler zu einem Schaden geführt hat – sollte der Gegenseite obliegen. Bisher ist es in der Rechtsprechung weitgehend so, dass sich ein Arzt erst dann entlasten muss, wenn ein besonders schwerer Behandlungsfehler unterlaufen ist. Hier sollten die Voraussetzungen zu Gunsten des Patienten abgesenkt werden, so dass die Beweislast auch dann greift, wenn ein einfacher und möglicherweise häufig vorkommender Fehler unterlaufen ist.

Wie sieht es generell mit den Erfolgsaussichten für den Patienten aus, einen Behandlungsfehler-Prozess zu gewinnen?

Uphoff: Es gibt dazu keine offiziellen Statistiken der Justiz und auch nicht der deutschen Versicherungswirtschaft. Es gibt verschiedene Zahlen von einigen Berufshaftpflichtversicherern der Ärzte, wonach in 30 bis maximal 40 Prozent der Fälle Schadensersatz gezahlt wird. Das dürfte auch die Größenordnung sein, in der Patienten nach langem und hartem Kampf einen Prozess vor dem Landesgericht oder Oberlandesgericht erfolgreich beenden.
Auf unserer Webseite arbeiten wir teilweise sprachlich dem Duden entsprechend mit dem generischen Maskulinum. Dies bedeutet, dass die allgemein bekannte verallgemeinernde, grammatikalisch männliche Bezeichnung gewählt wird. Hiermit sind in jedem Fall Personen aller Geschlechter gleichermaßen gemeint.
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