Berufspolitische Informationen >> Bewertung und Einordnung des Vergleichs für die Vergütungsanpassung in der Ergotherapie vor der Schiedsstelle am 27.02.2023
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Bewertung und Einordnung des Vergleichs für die Vergütungsanpassung in der Ergotherapie vor der Schiedsstelle am 27.02.2023

Veröffentlicht am 06.03.2023

Kalkulationen

Foto: © yana_novak22 / stock.adobe.com

Der Vergleich

Am 27.02.23 wurde vor der Schiedsstelle zwischen dem GKV-Spitzenverband einerseits und dem BED sowie dem DVE  andererseits ein Vergleich zur Anpassung der Vergütung in der Ergotherapie geschlossen. Der Vergleich beinhaltet folgende Punkte:

  1. Der Vergütung der Leistungen wird linear um 9,48 % angehoben. Diese Anhebung ergibt sich aus einer Anpassung aufgrund der Kostenentwicklung in 2022 von insgesamt 3,52 % und einer prognostischen Entwicklung in 2023 von insgesamt 5,96 %*. Die prognostische Entwicklung unterliegt dabei dem Revisionsvorbehalt, d.h. dass die tatsächliche Kostenentwicklung in die nächste Preisverhandlung übertragen wird.

  2. Davon abweichend werden alle Hausbesuchspauschalen um 18,96 % angehoben.

  3. Der Schwellenwert der ergotherapeutischen Schiene bis zu dem KEIN Kostenvoranschlag notwendig ist wird von 200 auf 400 Euro angehoben.

  4. Für die Ergotherapeutische temporäre Schiene ab 400,01 Euro (X4406) sind für Herstellung, Anpassung und Korrektur folgende Mindestinhalte auf dem Kostenvoranschlag anzugeben:

    1. Art/Bezeichnung der Schiene und ggf. Lokalisation oder Bezeichnung der Finger

    2. Materialaufwand

    3. Arbeitsaufwand je begonnene 15 Minuten                                                                     

  5. Die Höhe der endgültigen Abrechnung kann um bis zu 10 % des im Kostenvoranschlag angegebenen Betrags abweichen. Darüberhinausgehende Leistungen wie z. B. das Erstellen eines Kostenvoranschlages, die Indikations- und Funktionsüberprüfung, Beratungen und Kontrollen sind mit der im Zusammenhang verordneten Haupt- bzw. Therapieleistung (Motorisch-funktionelle oder Sensomotorisch-perzeptive Behandlung) zu erbringen und Bestandteil der Vergütung. Dies schließt auch weitere Kosten für z. B. Fort- und Weiterbildungen, Rufbereitschaft, Wochenenddienste, Kosten der Kalkulation, Stellungnahmen und dergleichen ein.

  6. Die Vergütungssätze gelten für Behandlungen, die ab dem 01.04.2023 erbracht werden. Diese können laut GKV-Spitzenverband aus technischen Gründen frühestens zum 15.04.2023 erstmals abgerechnet werden. 

Die Zustimmung zu diesem Ergebnis bedeutet nicht, dass wir oder der andere Berufsverband die Auffassung vertreten, dass die nun um die Entwicklung angepassten Preise für eine wirtschaftliche und leistungsgerechte Versorgung angemessen sind. Dies haben wir im Rahmen der mündlichen Verhandlung den Vorsitzenden der Schiedsstelle überaus deutlich gemacht. Daher empfehlen die drei unparteiischen Mitglieder der Schiedsstelle in einer Protokollnotiz, dass bei der nächsten anstehenden Verhandlung die Frage nach der Angemessenheit der Preise zielorientiert erörtert wird. 

Revisionsvorbehalt – Was bedeutet das konkret?

Zu beachten ist besonders der Revisionsvorbehalt, welcher folgendes besagt:

Sofern die für die Prognose der Kostenentwicklung ab dem 01.01.2023 getroffenen Annahmen bei unveränderter Gewichtung von der tatsächlichen Kostenentwicklung ab dem 01.01.2023 bis zum 31.03.2024 über- oder unterschritten werden, ist diese Differenz bei der nächsten Anpassung der Preise erhöhend oder vermindernd mit Wirkung für das Folgejahr zu berücksichtigen.

Mit anderen Worten: Sofern die prognostischen Annahmen für 2023 unterschritten werden sollten und z.B. der Tarifabschluss für das Jahr 2023 deutlich geringer ausfällt (s. Fußnote Kostenentwicklung), könnte sich dies auf die Preise in der nächsten Verhandlungsrunde negativ auswirken und möglicherweise zu einer Nullrunde oder sogar Preissenkungen führen. 

Ausgangspunkt: Aktuell gezahlte Preise

Als Basis für die Berechnungen sollten die seit 01. Oktober 2022 gezahlten Preise dienen. Eine Beurteilung, ob die Preise, die seit Oktober 2022 gelten, korrekt oder nicht korrekt berechnet, oder ob diese angemessen oder nicht angemessen waren, wurde von der Schiedsstelle ausdrücklich nicht bewertet.

 Das Jahr 2022 spielte daher lediglich eine Rolle in Bezug auf die Kostenentwicklung, welche berücksichtigt werden sollte. 

Ausgangsposition: Nur Kostenanpassung für die Vergangenheit?

Der GKV-Spitzenverband gründete sein Angebot ausschließlich auf dem Ausgleich der vergangenen Kostenentwicklung im Jahr 2022, welche er mit insgesamt 1,67% bezifferte. 
Bestärkt wurde die GKV dabei auch noch durch die rechtliche Einschätzung der Physiotherapie-Verbände, die ebenfalls den Standpunkt vertraten, dass der gesetzliche Auftrag allein die retrospektive Kostenbetrachtung zuließe. (Pressemitteilung IFK vom 28.09.2022: „Es ist gesetzlich geregelt, dass die Höhe der Vergütung für Leistungserbringer von Heilmitteln nicht prospektiv, wie beispielsweise bei Verhandlungen zwischen Gewerkschaften und Arbeitgeberverbänden, d. h. mit Blick in die Zukunft gerichtet, verhandelt wird. Stattdessen werden sie retrospektiv, also mit Blick zurück zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des letzten Vergütungsabschlusses, geführt.“ - https://www.ifk.de/artikel/verguetungsverhandlungen-gescheitert-schiedsverfahren-eingeleitet)

BED-Position: Drei Faktoren für die Preisanpassung

Wir als BED haben hier von Beginn an eine deutliche differenzierte Auffassung vertreten und für die Anpassung der Vergütung drei Faktoren ins Feld geführt:

  1. Die tatsächliche Kostenentwicklung in 2022
  2. Die prognostische Kostenentwicklung für 2023
  3. Die Bewertung, ob die gemäß der Kostenentwicklungen 2022 und 2023 angepassten Preise eine leistungsgerechte und wirtschaftliche Versorgung ermöglichen

In unseren Anträgen hatten wir klargestellt:
„Der Grundsatz aus § 125 Abs. 3 SGB V, nach dem die Vertragspartner zu beachten haben, dass die auszuhandelnden Preise eine leistungsgerechte und wirtschaftliche Versorgung ermöglichen, gilt selbstverständlich auch für die aktuelle Verhandlung und somit übergeordnet auch für das Schiedsverfahren. Leistungsgerechte Preise sind daher eine fortwährende Prämisse. Eine reine Betrachtung der Kostenentwicklung losgelöst von diesem Grundsatz, so wie vom GKV-SV beantragt, ist nicht möglich.“

Die Schiedsstelle griff unsere Position zumindest insofern auf, als klargestellt wurde, dass diese drei Punkte von der Schiedsstelle zu berücksichtigen seien. Im Vorfeld des Termins wurde zudem allen Parteien noch die Möglichkeit eingeräumt, zu diesen Punkten Stellungnahmen abzugeben. 

Wechselwirkung mit anderen Heilmittelbereichen

Im Schiedsverfahren zur Physiotherapie wurde der vom BED im Schiedsverfahren Ergotherapie eingebrachte Standpunkt bereits teilweise berücksichtigt, indem neben der vergangenen Kostenentwicklung in 2022 auch die prognostizierte Kostenentwicklung für 2023 berücksichtigt wurde, obwohl dies von den Vertretern der Physiotherapie selbst gar nicht beantragt worden war. 

Von den Unparteiischen und der GKV-Seite wurde in der Ergotherapieschiedsstelle im Übrigen immer wieder der Schiedsspruch Physiotherapie herangezogen, obwohl dieser der Geheimhaltung unterliegt und daher für die Ergotherapieverbände gar nicht zugänglich ist.

Ein Grund mehr, unserer bereits bestehenden Forderung zur Veröffentlichung der Schiedsprotokolle Nachdruck zu verleihen. 

Zudem ist es unsachgemäß, ungeprüft auf Entscheidungen aus anderen Heilmittelbereichen zurückzugreifen und damit eine Entscheidung für den konkret betreffenden Heilmittelbereich, wie hier in der Ergotherapie, damit vorwegzunehmen. 

Der entscheidende Faktor: leistungsgerechte Preise

Da die Schiedsstelle angekündigt hatte auch darüber zu entscheiden, ob die durch die Kostenentwicklung in 2022 und die prognostische Erhöhung für 2023 angepassten Preise eine leistungsgerechte und wirtschaftliche Versorgung ermöglichen, hatten wir dazu eine umfangreiche Beweisrechnung als einzige der Vertragsparteien vorgelegt und eine entsprechende Präsentation für den Termin vorbereitet. Im Ergebnis wurde deutlich, dass die Praxisinhabenden auch mit den angepassten Preisen nicht in die Lage versetzt werden, Gehälter in Höhe des TVÖD zu zahlen.

Die Unruhe auf Seiten der GKV-Vertreter war entsprechend groß. Es wurde im weiteren Verlauf deutlich, dass ein Ergebnis unter Beachtung der Leistungsgerechtigkeit der Preise nicht konsensual zu erzielen war. Daher wurde dieser Punkt im Vergleichsvorschlag der Unparteiischen nicht aufgegriffen.

Vor dem Hintergrund, dass bereits durch die Änderungen des TSVG laut § 125 Abs. 3 SGB V die auszuhandelnden Preise eine leistungsgerechte und wirtschaftliche Versorgung ermöglichen sollen und dies auch die Aufgabe der Schiedsstelle ist, eben solche leistungsgerechten Preise festzusetzen, da sich die Vertragspartner dazu nicht vereinbaren konnten, muss das Vorgehen der Schiedsstelle an dieser Stelle kritisch bewertet werden.

Alternativlos

Unsere Zustimmung zu dem letztlich vorgeschlagenen Vergleich war in dem Kontext alternativlos, um den Praxisinhabenden zumindest die von der Schiedsstelle vorgeschlagenen Prozente zu sichern. Hätten wir dies nicht getan, wäre ein noch deutlich schlechteres Ergebnis als Schiedsspruch sehr wahrscheinlich geworden.

Wie geht es weiter?

Die Leistungsgerechtigkeit der Preise bleibt entgegen dem gesetzlichen Auftrag weiterhin unberücksichtigt. Immerhin konnten wir das Thema in das Schiedsverfahren dergestalt einbringen, dass die unparteiischen Mitglieder der Schiedsstelle offiziell empfehlen die Frage der Angemessenheit der Preise  zielorientiert in Verhandlungen zu erörtern. 

Wir haben den GKV-Spitzenverband daher zwecks Terminvereinbarung zu Verhandlungen zur Angemessenheit der Preise kontaktiert. Neben der konsequenten Weiterverfolgung der bereits anhängigen Klagen beim Landessozialgericht gegen die Schiedsstelle, ergeben sich für uns nun noch weitere Möglichkeiten, die wir aktuell intern bewerten. 

*Fußnote Kostenentwicklung

Die Kosten einer ergotherapeutischen Praxis setzen sich aus unterschiedlichen Komponenten zusammen, die einen unterschiedlich großen Anteil an den Kosten haben. Der vor der Schiedsstelle geschlossene Vergleich bezieht sich auf die bereits im Schiedsspruch vom 28.02.2021 angewandten Parameter mit der dort ebenfalls festgelegten Gewichtung:

 

Anteil an Gesamtkosten einer Ergotherapiepraxis (Gewichtung)

Kostenentwicklung in 2022

Voraussichtliche Kostenentwicklung in 2023 (Prognose)

Personalkosten inkl. Praxisinhabende

75%

1,8 % gemäß Tarifentwicklung TVöD

6 %

Mietkosten

7,1 %

4,9 %

1,9 %

Sonstige Sachkosten

17,9 %

10,2 % Inflationsrate

7,4 %

Gesamt

100 %

3,52 % unter Berücksichtigung der Gewichtung

5,96 % unter Berücksichtigung der Gewichtung und Revisionsvorbehalt für die Zukunft, also für Preise ab 2024

Auf unserer Webseite arbeiten wir teilweise sprachlich dem Duden entsprechend mit dem generischen Maskulinum. Dies bedeutet, dass die allgemein bekannte verallgemeinernde, grammatikalisch männliche Bezeichnung gewählt wird. Hiermit sind in jedem Fall Personen aller Geschlechter gleichermaßen gemeint.
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