Veröffentlicht am 17.01.2006
Ärzte kämpfen auch für ihre Patienten
"Wir lassen uns nicht weiter auf der Nase herumtanzen." Eine derartige Solidarisierung der Ärzteschaft gab es noch nie. Auch die meisten Ärzte der Region machen mit beim landesweiten Protest gegen die Gesundheitspolitik der Regierung und schließen ihre Praxen am Donnerstag und Freitag. Ein Notdienst ist organisiert.
Von Elisabeth Sandmaier
"Inzwischen hat die AOK den Antrag auf Antrag einer Reha erfunden", führt Michael Kuch, Langenenslingen, als Beispiel für die unsägliche Bürokratie an, der die Ärzte unterworfen sind. "Damit wird ja nicht nur viel Geld in den Sand gesetzt, es geht auch viel Zeit für den Patienten verloren".
Mit pro Patient etwa einer viertel Stunde bestätigt Dr. Dietmar Grözinger, Riedlingen, seinen Verwaltungsaufwand. Besonders leidig zum Beispiel das DMP (Disease Management Program), bei dem die Krankenkassen in jedem Quartal 80 verschiedene Fragen über den chronisch kranken Patienten abrufen. "Wir haben die Diabetes früher nicht schlechter behandelt als unter dieser Bürokratie", sagt Dr. Grözinger. "Ich möchte das machen, was ich gelernt habe: Medizin." Anderes Stichwort: Praxisgebühr, von der nach Abzug der Verwaltungskosten nicht einmal die Hälfte übrig bleibt.
Nicht nur der immer noch wachsende Verwaltungsaufwand bringt die Ärzte auf den Plan.
"Dem Hausarzt wird unterstellt, dass er mit den Ressourcen nicht verantwortungsvoll umgehen kann", beklagt sich Kuch. Eine "Bonus-Malus-Regelung" belohnt diejenigen Ärzte, die ein Budget an Medikamenten und Heilmitteln unterschreiten und droht mit Strafzahlungen aus der eigenen Tasche, wenn das Budget überschritten wird. "Wir bezahlen die Krankengymnastik und Ergotherapie unserer Patienten." Andererseits werde den Patienten nach wie vor gesagt: "Was du brauchst, steht dir zu.""Für uns ein Spagat", meint Dr. Werner Lipke, Bad Buchau. "Einerseits müssen wir sparen, anderseits kommen wir mit dem Strafgesetz in Konflikt, wenn wir nicht das Optimale für unsere Patienten tun." Durch die Reglementierung werde auch das äußerst sensible Arzt-Patienten-Verhältnis massiv beschnitten. "Deshalb wollen wir den mündigen, selbstbestimmten Patienten fördern, der weiß, was er in die eigene Gesundheit investiert."
Schlechte Zukunftsaussichten
Dr. Grözinger sieht eine große Gefahr für die Zukunft: Wenn unter solchen Bedingungen kein Anreiz mehr dafür gegeben sei, würden immer weniger junge Leute den Arztberuf ergreifen. Jetzt schon seien laut KV (Kassenärztliche Vereinigung) 197 Hausarztpraxen nicht besetzt.
So werden am Donnerstag und Freitag sämtliche Praxen der Region geschlossen bleiben. Ärzte wie Personal beteiligen sich an den Protestaktionen in Reutlingen oder Sindelfingen, garantieren aber mit einem Notdienst wie an Sonn- und Feiertagen die medizinische Grundversorgung ihrer Patienten.
(Stand: 17.01.2006 00:15)