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Bundessozialgericht: Zulassung ohne Praxisräume nicht möglich

Veröffentlicht am 18.01.2006

Entscheidung
I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 24. Oktober 2002 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist, ob die Beklagten und Beigeladenen verpflichtet sind, der Klägerin eine Zulassung im Bereich Physikalische Therapie/Medizinische Masseure und Bademeister nur für Hausbesuche (ambulante Behandlungen) zu erteilen.

Die 1952 geborene Klägerin ist Physiotherapeutin. Sie war seit 01. Dezember 1998 fachliche Leiterin für den Bereich Massage in der Praxis A ... Sie hat sich im Januar 2000 an die Beklagten gewendet und eine Zulassungsänderung beantragt. Die Zulassung sollte bestehen bleiben für ärztlich verordnete Hausbesuche. Die Arbeitsgemeinschaft der Krankenkassenverbände in Bayern hat mit Bescheid, der namens und im Auftrag der Beklagten zu 1) bis 4) sowie der Beigeladenen zu 3) erging, den Antrag mit der Begründung abgelehnt, Grundvoraussetzung für die Zulassung von Leistungserbringern für Heilmittel sei eine geeignete Praxisausstattung. Die Zulassungsempfehlungen der Spitzenverbände der Krankenkassen gäben für den Bereich Physiotherapie vor, dass eine Zulassung ohne Praxisräume nicht den Anforderungen des Gesetzes entspreche.

Die Klägerin erhob hiergegen am 08.06.2000 Widerspruch und führte aus, die von ihr angestrebte Tätigkeitsform sei in den Zulassungsempfehlungen noch nicht berücksichtigt. Die Zulassungsempfehlungen müssten modernisiert werden. Es bestehe ein Bedarf für die von ihr angebotene Behandlungsform mittels Hausbesuche.

Die Beklagte zu 1) wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 22.09.2000 zurück. Der Widerspruchsbescheid der Beklagten zu 2) datiert vom 11.10.2000, der der Beklagten zu 3) vom 01.08.2000, der der Beklagten zu 4) vom 24.08.2000.

Die Klägerin hat jeweils fristgerecht Klage zum Sozialgericht München erhoben, die Klagen wurden zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden und unter dem Aktenzeichen S 2 KR 672/00 geführt.

Die Klägerin begründete ihre Klage damit, ihre fachlichen und persönlichen Qualifikationen seien unbestritten. Seit 01.03.2000 sei sie arbeitslos. Da sie immerhin 48 Jahre alt sei, stünden ihre Chancen für eine Dauereinstellung ausgesprochen schlecht. Sie habe sich deshalb entschlossen, sich selbständig zu machen. Die Anmietung von Praxisräumen überschreite ihre finanziellen Möglichkeiten. Auch in eine bestehende Praxis könne sie sich nicht einkaufen. Das Arbeitsamt fördere ihre selbständige Arbeitsaufnahme. Privatkassen und Beihilfestellen verweigerten die bedarfsgerechte Versorgung durch Behandlung außerhalb von Praxisräumen durch Therapeuten nicht. Sie verfüge außerdem über eine ausreichende Praxisausrüstung wie tragbare Liege, Infrarotwärmegeräte, Ultraschallgeräte und habe sich zu deren Beförderung einen Ford Kombi angeschafft. Die von den Versicherungsträgern herausgegebenen Empfehlungen gingen über den Gesetzestext hinaus.

Das Sozialgericht hat die Klage mit Urteil vom 24.10.2002 abgewiesen. Die Klägerin habe keinen Anspruch auf eine Zulassung lediglich für Hausbesuche. § 124 Abs.2 Satz 1 Nr.3 SGB V sei diesbezüglich vom Wortlaut her eindeutig. Die Regelung sei keiner ergänzenden Auslegung zugunsten der Klägerin fähig. Das Bundessozialgericht habe in seiner Entscheidung vom 29.11.1995 festgestellt, dass eine Zulassung nach § 124 SGB V für das Unternehmen und die jeweilige Betriebsstätte erfolge. Die Einbeziehung der Praxisausstattung in die Prüfung der Zulassungsvoraussetzungen sei zulässig und geboten. Dem schließe sich das Sozialgericht an. Die Ablehnung der Zulassung entspreche auch dem Gebot der Gleichbehandlung mit anderen Heilmittelerbringern gem. Art.3 Abs.1 Grundgesetz. Eine Zulassung der Klägerin lediglich zu Hausbesuchen würde ihr einen ungerechtfertigten Wettbewerbsvorteil gegenüber den anderen zugelassenen Heilmittelerbringern gewähren. Diese müssten das volle Spektrum der Leistungen, d.h. auch das Vorhalten von Praxisräumen nachweisen. Die Klägerin erspare sich ungerechtfertigterweise Kosten, einen Vorteil, den der Gesetzgeber durch das Praxiserfordernis in § 124 Abs.2 Satz 1 Nr.3 SGB V ausschließen wolle.

Die hiergegen eingelegte Berufung begründet die Klägerin damit, § 124 Abs.2 Satz 1 Nr.3 SGB V stelle nicht darauf ab, dass Praxisräume vorhanden sein müssen. Eine Praxisausstattung könne nach dem Wortlaut des Gesetzes durchaus darauf gerichtet sein, nur über die Gerätschaften und Mittel zu verfügen, die auf die in Form von Hausbesuchen zweckmäßige und wirtschaftliche Leistungserbringung abstelle. Die Spitzenverbände hätten die Intention des § 124 Abs.2 SGB V gesprengt, wenn sie Praxisräume zur Erfüllung einer wirtschaftlichen und zweckmäßigen Praxisausstattung verlangen. Die gemeinsamen Empfehlungen seien insoweit rechtswidrig. Es liege auch keine Ungleichbehandlung vor, denn auch anderen Heilmittelerbringern sei es möglich, sich ohne Praxisräume zu spezialisieren. Hausbesuche würden von Massagepraxen mit Räumlichkeiten nicht durchgeführt, weil dies zu teuer sei. Außerdem müsse berücksichtigt werden, dass sie mit 48 Jahren arbeitslos geworden sei und ohne Selbständigkeit keine reelle Chance auf dem Arbeitsmarkt zum Erhalt eines Arbeitsplatzes im Rahmen eines Angestelltenverhältnisses mehr habe.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts München vom 24.01.2002 und die zugrundeliegenden Bescheide der Beklagten aufzuheben und die Beklagten zu verurteilen, eine Zulassung für Hausbesuche für die Behandlungsarten medizinische Massage aller Art, Lymphdrainagen, Heissluft, Extension, Elektrotherapie und Bewegungsübungen zu erteilen.

Die Beklagten beantragen,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verweisen auf das Urteil des Sozialgerichts München, das die wesentlichen Aspekte enthalte. Die Notwendigkeit einer Praxisausstattung - und damit auch eine Praxis - ergebe sich schon aus § 124 Abs.2 Ziff.3 SGB V direkt. Der Einwand, die Versorgung mit Massagen könne durch die zugelassenen Leistungserbringer nicht sichergestellt werden, sei schon Gegenstand der Erörterungen in der mündlichen Verhandlung vor dem Sozialgericht München gewesen. Eine solche Versorgungslücke sei den Beklagten im Bereich München nicht bekannt.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der beigezogenen Akte der Beklagten sowie der Gerichtsakten beider Rechtszüge Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die gem. § 151 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung, die nicht der Zulassung gem. § 144 SGG bedarf, ist zulässig, sie erweist sich aber als unbegründet.

Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Zulassung gemäß § 124 SGB V, weil die Zulassungsvoraussetzungen des § 124 Abs.2 SGB V nicht gegeben sind. Danach ist zur Erbringung von Heilmitteln, die als Dienstleistungen abgegeben werden, insbesondere Leistungen der Physikalischen Therapie, der Sprachtherapie oder der Beschäftigungstherapie zuzulassen, wer die erforderliche Ausbildung besitzt (§ 124 Abs.2 Nr.1) und über eine Praxisausstattung verfügt, die eine zweckmäßige und wirtschaftliche Leistungserbringung gewährleistet (§ 124 Abs.2 Nr.3). Diese Voraussetzung ist bei der Klägerin nicht gegeben. Sie verfügt nicht über eine die zweckmäßige und wirtschaftliche Leistungserbringung gewährleistende Praxisausstattung, weil sie über keine Praxisräume verfügt. Der Senat neigt zu der Auffassung, dass sich bereits aus dem Wortlaut des § 124 Abs.2 Ziff.2 (bis 30.04.2003: Ziff.3) SGB V ergibt, dass Räume vorhanden sein müssen. Wäre die Auffassung der Klägerin zutreffend, hätte "Ausstattung" genügt. In der Literatur (Hess, Kass.Komm., § 124 SGB V, RdNr.10; Knittel, Krauskopf SGB V § 124 RdNr.12) wird "Praxisausstattung" ebenfalls als Räume und Einrichtungen definiert.

Auch die höchstrichterliche Rechtsprechung stützt die Meinung der Klägerin nicht. Das Bundessozialgericht hat bereits im Urteil vom 27.03.1996 (SozR 3-2500 § 124 Nr.5) entschieden, dass ein Masseur und medizinischer Bademeister nicht die Voraussetzungen für die Kassenzulassung erfüllt, wenn seine Praxisräume die Raumhöhe von 2,50 m unterschreiten. Dies ergebe sich unabhängig von der Verbindlichkeit einer solchen Raumhöhe durch die Regelung in den Empfehlungen der Spitzenverbände direkt aus der Auslegung des unbestimmten Rechtsbegriffs der Zweckmäßigkeit in § 124 Abs.2 Ziff.3 SGB V. Aus dieser Entscheidung ist der Schluss zu ziehen, dass, wenn schon etwas zu niedrige Räume die Zweckmäßigkeitsanforderungen nicht erfüllen, eine Ausstattung ohne Räume ebenfalls nicht zweckmäßig ist. In weiteren Entscheidungen hat das BSG dies ausdrücklich bestätigt. Nachdem es im Urteil vom 29.11.1995 - 3 RK 25/94 (SozR 3-2500 § 126 Nr.1) ausgeführt hatte, die Zulassung nach den §§ 124 und 126 SGB V erfolge für das Unternehmen und die jeweilige Betriebsstätte, stellte es im Urteil vom 13.12.2001 - B 3 KR 19/00 R (SozR 3-2500 § 124 Nr.10) fest, die Zulassung gem. § 124 SGB V des dortigen Klägers sei erloschen, nachdem dieser seinen Praxissitz verlegt hatte. Die Zulassung sei wegen der besonderen Anforderungen an die Praxisausstattung an die Betriebsstätte gebunden.

Die Spitzenverbände der Krankenkassen haben gem. § 124 Abs.4 SGB V gemeinsame Empfehlungen zur einheitlichen Anwendung der Zulassungsbedingungen nach § 124 Abs.2 SGB V für Heilmittelerbringer gegeben. Unter Ziff.3 dieser Empfehlungen ist ausdrücklich geregelt, dass eine Zulassung ohne Praxisräume nicht den Anforderungen des § 124 Abs.2 Nr.3 SGB V entspricht. In Ziff.3.2 sind die räumlichen Mindestvoraussetzungen festgelegt. Der Senat sieht wie das Sozialgericht keinen Anlass, von diesen Empfehlungen abzuweichen und die Beklagten zu einer Zulassung der Klägerin ohne Praxisräume zu verpflichten. Auch wenn es sich bei den Empfehlungen der Spitzenverbände um Verwaltungsbinnenrecht handelt (BSG Urteil vom 10.07.1997; SozR 3-2500 § 124 Nr.8), besteht unter Berücksichtigung der Rechtsprechung keine Möglichkeit, von dem Erfordernis von Praxisräumen abzuweichen. Der in der GKV tätige Masseur kann sein Behandlungsangebot nicht nur auf Teile der von dem Versicherten zu beanspruchenden Heilmittel beschränken. Er muss den ganz überwiegenden Teil der Behandlungsmöglichkeiten abdecken um die ihm anvertrauten Versicherten ausreichend zu versorgen.

Die Kostenfolge ergibt sich aus § 193 SGG und entspricht dem Unterliegen der Klägerin.

Der Senat läßt die Revision im Hinblick auf den Bedeutungsinhalt des Begriffs "Praxisausstattung" in § 124 SGB V gem. § 160 SGG zu.

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