Veröffentlicht am 21.02.2008
Musik unterstützt Reha nach Schlaganfall
Mittwoch, 20. Februar 2008
Helsinki - Musik hat nicht nur entspannende und unterhaltende Eigenschaften. Bei Schlaganfall-Patienten kann sie die Rehabilitation verbessern. In einer randomisierten kontrollierten Studie in Brain (2008; doi:10.1093/brain/awn013) förderte das Hören von Musik (nicht aber von Hörbüchern) die kognitiven Fähigkeiten der Patienten.
In den ersten Wochen und Monaten nach einem Schlaganfall kommt es im Großhirn zu "plastischen" Veränderungen. Die Aufgaben der durch die Ischämie abgestorbenen Zellen kann von anderen Neuronen (teilweise) übernommen werden, was gelegentlich zur (teilweisen) Rückbildung von Paresen führt. Die Rehabilitationsmedizin versucht diese Prozesse zu unterstützen und bedient sich dabei nicht nur der Ergotherapie, sondern zunehmend auch auditorischer und visueller Stimuli, schreiben Teppo Särkämö und Mitarbeiter der Cognitive Brain Research Unit an der Universität Helsinki. Tierexperimente hätten ergeben, dass eine akustische Stimulierung die Erholung von Hirnfunktionen nach Schlaganfällen fördert.
Die Forscher randomisierten 60 Patienten auf drei Therapie-Arme: Eine Gruppe wurde gebeten, in den folgenden zwei Monaten täglich mindestens eine Stunde Musik ihrer Wahl zu hören. Der zweiten Gruppe wurde zum Hören von Musikbüchern geraten, während in der dritten Gruppe keine Empfehlungen ausgegeben wurden. Alle Patienten nahmen außerdem an einer Schlaganfall-Rehabilitation teil.
Nach drei Monaten hatten die Teilnehmer im Musik-Arm der Studie die besten kognitiven Fortschritte gemacht. Das verbale Gedächtnis hatte sich seit der ersten Woche nach dem Insult um 60 Prozent verbessert (gegenüber einer Verbesserung um 18 Prozent im Hörbuch-Arm und um 29 Prozent in der Kontrollgruppe). Auch die Konzentrationsfähigkeit ("fokussierte Aufmerksamkeit" auf relevante Reize bei gleichzeitiger Unterdrückung von Störreizen) hatte sich bei den Musikhörern um 17 Prozent verbessert, nicht aber in den beiden anderen Gruppen. Diese Unterschiede bestanden laut Särkämö auch noch sechs Monate nach dem Schlaganfall. Die Musikhörer waren außerdem weniger depressiv und verwirrt.
Särkämö führt dies nicht allein auf die klanglichen Eigenschaften der Musik zurück. Da die meisten Patienten Musik mit Gesangselementen bevorzugten, könnte die Kombination aus Musik und Stimme die entscheidende Rolle gespielt haben. Studien haben laut Särkämö ergeben, dass Texte in gesungener Form eine größere Wirkung entfalten, wie denn auch Gedichte als Liedtexte leichter zu lernen sind als in rein geschriebener Form.
Nach Ansicht der finnischen Forscher wird die rehabilitative Wirkung von Musik teilweise über dopaminerge Neuronen im mesocorticolimbischen System vermittelt. Auch eine direkte Wirkung auf die geschädigten Regionen des Gehirns halten sie für möglich. Schließlich fördere Musik ganz allgemein die Plastizität des Gehirns. rme/aerzteblatt.de
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