Veröffentlicht am 24.03.2008
Evidenz in der Medizin ist wissenschaftlich fundiertes Wissen über die Wirksamkeit medizinischer Intervention.
Sie bildet die Basis bei der Entwicklung von Qualitätsstandards und Leitlinien für die Praxis.
Die randomisierte kontrollierte Studie (RTC: randomized controlled trials) ist das beste nachgewiesene Studiendesign, um bei einer eindeutigen Fragestellung eine eindeutige Aussage zu erhalten.
Eine typische Frage für solche Designs lautet: Ein neues Medikament ist auf dem Markt. Wird der erwartete Nutzen erreicht und übersteigt dieser die möglichen Risiken?
Randomisierung bedeutet die Zuordnung zur Behandlungsgruppe nach dem Zufallsprinzip, um den Einfluss des Untersuchers auszuschließen, sowie die gleichmäßige Verteilung von bekannten und nicht bekannten Einflussfaktoren auf alle Gruppen sicherzustellen.
Behandlungsgruppen können beispielsweise dem Medikament A oder B zugeordnet werden beziehungsweise der Medikamenten- oder der Placebogruppe, je nachdem ob zwei Medikamente miteinander verglichen oder die Wirksamkeit von einem Medikament belegt werden soll.
Kontrolliert: Alle randomiserten Studien, sind auch kontrollierte Studien, da die Ergebnisse der Medikamtengruppe A natürlich mit der Medikamentengruppe B vergleichen wird. Ebenso wird bei der überprüfung der Wirksamkeit eines einzelnen Medikaments die Medikamentengruppe mit der Placebogruppe verglichen.
Evidenzhierarchie:
- Level 1: Es gibt ausreichende Nachweise für die Wirksamkeit aus systematischen überblicksarbeiten (Meta-Analysen) über zahlreiche randomisiert-kontrollierte Studien.
- Level 2: Es gibt Nachweise für die Wirksamkeit aus zumindest einer randomisierten, kontrollierten Studie.
- Level 3: Es gibt Nachweise für die Wirksamkeit aus methodisch gut konzipierten Studien, ohne randomisierte Gruppenzuweisung.
- Level 4a: Es gibt Nachweis für die Wirksamkeit aus klinischen Berichten.
- Level 4b: Stellt die Meinung respektierter Experten dar, basierend auf klinischen Erfahrungswerten bzw. Berichten von Experten-Komitees.
Nun hat die Ergotherapie jedoch einen komplexen Ansatz, vergleichbar mit der generellen präventiven Gesundheitsförderung. Hier proklamiert sogar die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung selbst: „Ein Evidenzbegriff, wie er in der Medizin gebraucht wird, ist für die Gesundheitsförderung fragwürdig. Die RTC gilt dort als unangemessen, ja sogar kontraproduktiv. Entsprechend wird vorgeschlagen, Evidenz in der Gesundheitsförderung als umfassendes, plausibles Wissen über die Wirksamkeit komplexer gesundheitsfördernder Aktivitäten in komplexen sozialen Systemen oder Lebenswelten zu begreifen.“ Im Rahmen der Gesundheitsförderung löst man dieses Problem in Form einer Datenbank, die im Internet abrufbar ist und das Wissen über die Gesundheitsförderung systematisch aufbereitet:
www.gesundheitliche-chancengleichheit.de
Viele der dort aufgeführten Projekte inklusive dem Auswahlinstrument für bzw. gegen die Projekte , zwecks partizipativer Qualitätsentwicklung, werden in dem Buch Gesundheitsförderung Konkret Band 5 3. erweiterte und überarbeitete Auflage 2007 beschrieben.
Kostenfrei zu bestellen unter:
http://www.bzga.de – Infomaterialien/ Bestellung- dort als Suchbegriff: „Gesundheitsförderung konkret“ eingeben.
Auch und gerade für Ergotherapeuten stellt sich hier die Möglichkeit der aktiven Mitwirkung und Förderung über den § 20 SGB V. Das Buch bietet hier viele Anregungen und weiterführende ebenso zumr größten Teil kostenfreie Informationen.
In Zusammenhang mit Qualität und deren Entwicklung fällt häufig der Begriff Best Practice und Benchmarking. In diesem Rahmen wird versucht sich an den herausragenden Leistungen anderer Anbieter zu orientieren und diese für die eigene Praxis zu adaptieren.
Im Gesundheitswesen scheint es jedoch sinnvoller nicht die besten Lösungen zu suchen, sondern bewährte Lösungen also good practice. So ist ein praxisnaher Transfer schneller möglich, da nicht unter allen Lösungen immer erst die beste für die jeweilige Vorgabe analysiert werden muss.
Zudem ist auch für die Basis mittels good practice einfach zu erkennen, welche Maßnahmen so in der eigenen Praxis nicht angewandt werden können. Sie regen gleichzeitig zu überlegungen an, welche Alternativlösungen möglich wären.
Der Ansatz „Good Pratice“ bietet die Chance, die Wissenschafts-Praxis-Lücke zu überbrücken. „Evidenzbasierte Gesundheitsförderung“ birgt die Gefahr realitätsferner Konzepte und Anforderungen.
Der BZgA schreibt dazu:“Die ambitionierten Beispiele zeigen vielmehr, wo bis zur Umsetzung vorbildlicher Praxis noch Zwischenschritte notwendig sind, oder wo dieses Ziel unter den jeweiligen Bedingungen nicht zu erreichen ist.
Der Informationsfluss zwischen Wissenschaft und Praxis wird beidseitig: Evidenzbasierte Praxis trifft praxisbasierte Wissenschaft.“
Der neue Heilmittel-Report 2008 bringt neben mittlerweile altbekannten übersichten über die Verordnungsmengen im Heilmittelbereich auch einen guten überblick über den aktuellen Forschungsstand in der Ergotherapie.
Gerade hier sind die Grenzen der evidenzbasierten Praxis recht eindeutig zu sehen.
Immer wieder lautet dort die Aussage, dass eine positive Wirkung bei moderater Evidenz vorliegt, oder dass die Studien nicht zu signifikanten Ergebnissen führten. Das gilt beispielsweise sowohl für die Rheumatoide Arthritis als auch für die Arm- und Handmotorik und bei Einsatz von Ergotherapie bei entwicklungsbedingten Koordinationsstörungen.
Bei diesen Krankheitsbildern hat die Ergotherapie bereits durch Ihr Berufsbild jedoch vielfältige Aufgaben zu erfüllen.
Es geht nicht nur um den Aspekt der besseren Handbeweglichkeit oder einer verbesserten Koordination, sondern auch um Hilfsmittelberatung, Beratung der Angehörigen bzw. des Umfeldes, die psychosoziale Stärkung des Betroffenen, die Einbindung der Maßnahmen in den Alltag.
Hier stellt sich selbiger Sachverhalt wie in der Prävention.
Wirksamkeit komplexer ergotherapeutischer Aktivitäten in komplexen sozialen Systemen oder Lebenswelten, lassen sich nicht in einer randomisierten kontrollierten Studie nachstellen und überprüfen.
Daher sollte selbiges Vorgehen wie in der Prävention zur Wirksamkeit und Qualitätssicherung in der Ergotherapie angestrebt werden:
Bei der Entwicklung der Good-Practice-Kriterien wurden die folgenden Forschungsergebnisse, die bereits entwickelten Instrumente und vorliegenden Erfahrungen berücksichtigt, geprüft und integriert:
- die nationale und internationale Forschung zum Bereich Gesundheitsförderung und soziale Benachteiligung, (Helmert, A. (2003), Mielck, A.(2000), Mackenbach, J.,Bakker,M (2002)(eds.), International Union for Health Promotion and Education (1999), Gepkens,A.,Gunning-Schepers,L.J. (1996))
- die „Good Practice“ – Kriterien des Bund-Länder-Programms "Stadtteile mit besonderem Entwicklungsbedarf- die soziale Stadt" des Deutschen Instituts für Urbanistik (Juni 2002),
- die Qualitätssicherungsinstrumente der BZgA in Zusammenarbeit mit dem Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (Kliche,T.,Töppich,J., Kawski,S.,Koch,U., Lehmann,H. (2004)
- die Erfahrungen aus der Qualitätssicherungsentwicklung des Paritätischen Wohl-fahrtsverbandes und
- die Erfahrungen aus der direkten halbstandardisierten Befragung von VertreterInnen von Praxis-Projekten und -Maßnahmen der Projektdatenbank.
Die 12 Kriterien Guter Praxis
Lesen Sie den vollen Artikel im folgenden Dokument