Veröffentlicht am 14.11.2008
Versicherungspflicht: Nicht jeder kann zahlen
24.10.08
(psg). Damit alle Bürger in Deutschland unter dem Schutz einer
Krankenversicherung stehen, hat die Große Koalition mit dem
GKVWettbewerbsstärkungsgesetz die Kassen verpflichtet, jeden ehemals
gesetzlich Versicherten wieder aufzunehmen. Entsprechend sind seit
April 2007 rund 85.000 Nichtversicherte in die gesetzliche
Krankenversicherung (GKV) zurückgekehrt. "Rund zwei Drittel von ihnen
sind mit ihren Beiträgen im Rückstand", moniert Thomas Bloching von der
Abteilung Versicherung im AOK-Bundesverband. Mittlerweile haben sich
die Rückstände auf knapp 100 Millionen Euro summiert.
"Häufig
wenden sich Menschen ohne Versicherungsschutz leider erst an eine
Kasse, wenn sie krank sind und deren Hilfe benötigen", sagt
AOK-Fachmann Bloching. Dabei - so sieht es das
GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz vor - müssen sich Nichtversicherte
eigentlich schon seit April vergangenen Jahres eine neue Krankenkasse
suchen oder zu ihrem vormaligen Versicherer zurückkehren.
Hohe Nachzahlungen möglich
Melden
sich Nichtversicherte verspätet bei ihrer Kasse, müssen sie fortan die
laufenden Beiträge bezahlen, aber auch alle Beiträge nachzahlen, die
seit Beginn der Versicherungspflicht angefallen sind. "Diese können
sich - abhängig von Zeitraum und Einkommen - auf mehrere tausend Euro
summieren. Viele sind damit überfordert", so Bloching.
Nach
Angaben der Spitzenverbände der Krankenkassen haben seit April 2007
rund 85.000 Menschen von ihrem Rückkehrrecht Gebrauch gemacht. 52.000
davon haben keine Beiträge an die Kassen gezahlt oder sind damit in
Rückstand. "Diese finanzielle Lücke muss derzeit zu Lasten der
Solidargemeinschaft von allen Versicherten geschlossen werden", erklärt
AOK-Experte Bloching.
Denn vor allem überschuldete Personen
oder auch Selbstständige mit schlechter Auftragslage verzichteten
aufgrund fehlender finanzieller Möglichkeiten auf die rechtzeitige
Meldung bei der Krankenkasse. Ausgenommen davon sind
Hartz-IV-Empfänger. Für sie werden die Beiträge automatisch von der
Agentur für Arbeit überwiesen, so Bloching.
Weil es sich
bei den Nichtversicherten in der Regel um Menschen mit geringen
finanziellen Möglichkeiten handelt, bringen Ratenzahlungsvereinbarungen
oder die aufwändigen wie kostenintensiven Vollstreckungsverfahren
wenig. Entsprechend fordert AOK-Experte Bloching von der Politik ein
Umdenken: "Die Sozialämter müssen zur Kostenübernahme aufgelaufener
Beitragsrückstände Bedürftiger verpflichtet werden." Bisher jedoch
wehren sich die Ämter gegen eine Übernahme der rückständigen Beträge.
Lediglich die laufenden Beiträge Bedürftiger werden von den Ämtern
getragen. So summieren sich die ausstehenden
Krankenversicherungsbeiträge mittlerweile auf rund 100 Millionen Euro.
Kassen fehlt Handlungsmöglichkeit
Weitere
gut 180 Millionen Euro fehlen den Kassen, weil es nach Auskunft der
Spitzenverbände der Krankenkassen auch bei den freiwillig Versicherten
mittlerweile hohe Beitragsrückstände gibt. Auch hier sei das Problem
von der Politik hausgemacht: "Auch nach mehrmonatigen Rückständen
können freiwillig Versicherte nicht mehr von der Krankenversicherung
ausgeschlossen", sagt Bloching. Der Versicherungsausschluss wurde mit
dem GKV-WSG durch das sogenannte Leistungsruhen abgelöst. Zahlt ein
Versicherter zwei Monate keine Beiträge, können die Kassen die
medizinische Versorgung allenfalls "ruhen" lassen. "Ausgenommen davon
ist jedoch die recht umfangreiche Notfallbehandlung", so Bloching.