Veröffentlicht am 07.10.2022
Im April 2022 vermeldete die DAK für Schleswig-Holstein einen deutlichen Anstieg von Fehlzeiten aufgrund von psychischen Erkrankungen im Jahr 2021. Die Daten der DAK zeigen eine Zunahme der Fälle, aber auch der jeweiligen Falldauer. In Schleswig-Holstein sind immer mehr Menschen immer länger psychisch krank.
Der Leiter der Landesvertretung der DAK-Gesundheit in Schleswig-Holstein sagte dazu in einer Pressemeldung:
„Unser Report zeigt, dass viele Menschen mit psychischen Erkrankungen extrem unter den anhaltenden Belastungen der Pandemie leiden. Die Betroffenen finden aktuell auch schwerer wieder in ihren Berufsalltag zurück.“
Viele Betroffene in Schleswig-Holstein könnten hier von einer psychisch-funktionellen Ergotherapie profitieren. Dass dieser Bedarf auch von den Verordnenden erkannt wurde, zeigen die Zahlen des GKV-Heilmittelinformationssystems für Schleswig-Holstein. 2021 wurden 21,6 % mehr psychisch-funktionelle Behandlungseinheiten erbracht als im Vorjahr, wobei allerdings die generell geringere Inanspruchnahme von Leistungen im ersten Pandemiejahr 2020 zu berücksichtigen ist.
Ebenfalls muss die bisher generell niedrige Versorgungsquote mit ergotherapeutischen Leistungen in Schleswig-Holstein berücksichtigt werden. Nach Angaben der BARMER lag die Versorgungsquote hier im Jahr 2014 bei 22,52. Konkret bedeutet dies: Nicht einmal jeder vierte Versicherte, bei dem eine Indikation für eine ergotherapeutische Intervention vorlag, wurde auch entsprechend versorgt. Seit 2014 ist die Versorgung mit ergotherapeutischen Leistungen trotz steigenden Bedarfs jedoch nicht besser geworden. Nach Angaben des GKV-Heilmittelinformationssystems wurden im Jahr 2014 je 1000 Versicherten 391 Behandlungen erbracht, 2021 waren es 396 Behandlungen trotz des deutlichen Anstiegs von Fehlzeiten aufgrund psychischer Erkrankungen (s. o.).
Die Vertreter der Krankenkassen und der Kassenärztlichen Vereinigung ließen diese Fakten jedoch offensichtlich außer Acht, als sie in der Heilmittelzielvereinbarung für Schleswig-Holstein eine Senkung der Verordnung psychisch-funktioneller Behandlungseinheiten um 10 % vertraglich festlegten.
Einmal mehr zeigt sich an dieser Stelle wie der stumpfe Einsatz von Controlling-Maßnahmen die Versorgung gefährdet und so einen viel höheren volkswirtschaftlichen Schaden anrichtet, als auf der anderen Seite durch das Controlling „eingespart“ werden kann.
Die Beurteilung von Wirtschaftlichkeit mit einem ausschließlichen Blick auf die Ausgabenseite ist unvollständig und muss falsche Ergebnisse bringen, die zu fatalen Folgen führen können. Eine ernsthafte Beurteilung von Wirtschaftlichkeit muss immer eine Betrachtung von Kosten und Nutzen im Gesamtzusammenhang beinhalten. Dieser Grundsatz wird im deutschen Gesundheitswesen leider allzu oft ignoriert, was nicht nur strukturell bedingt ist.