Veröffentlicht am 28.10.2022
Die Kassenärztliche Vereinigung und die Landesverbände der Krankenkassen in Sachsen-Anhalt haben sich darauf verständigt, ab 2023 die Wirtschaftlichkeitsprüfung im Heilmittelbereich für Neurolog*innen, Psychiater*innen und Nervenärzt*innen von einer Durchschnittswerteprüfung auf eine Richtgrößenprüfung umzustellen.
Veränderungen wie diese führen häufig zu Verunsicherung auf Seiten der Verordnenden.
Daher schaffen wir mit diesem Artikel Klarheit.
Was bedeuten Richtgrößen?
Aus der Anzahl der Krankheitsfälle multipliziert mit der Richtgröße der Berufsgruppe ergibt sich das Richtgrößenvolumen.
In Sachsen-Anhalt behandelt beispielsweise eine Nervenarztpraxis etwa 4.000 Krankheitsfälle pro Jahr. Multipliziert mit der Richtgröße von 56,43 Euro ergibt sich daraus ein Richtgrößenvolumen von 226.000 Euro für Heilmittelverordnungen.
Rechnet man die bei diesem Prüfverfahren akzeptierte minimale Überschreitung von bis zu 15 % mit ein, ergibt sich gar ein mögliches Verordnungsvolumen von 260.000 Euro für unseren Nervenarzt im Beispiel.
Rechnet man die bei diesem Prüfverfahren akzeptierte maximale Überschreitung von bis zu 25 % mit ein, ergibt sich gar ein mögliches Verordnungsvolumen von rund 283.000 Euro.
Überschreitet ein Nervenarzt auch dieses Mehrvolumen, so erfolgt eine Beratung.
Besonderer Verordnungsbedarf und Langfristiger Heilmittelbedarf zusätzlich
Heilmittelverordnungen des Besonderen Verordnungsbedarfs und des Langfristigen Heilmittelbedarfs gemäß Diagnoseliste dürfen zusätzlich verordnet werden, weil sie nicht auf das Richtgrößenvolumen angerechnet werden.
Das tatsächliche ärztliche Verordnungsvolumen kann darüber sogar noch deutlich höher ausfallen.
Unseren Mitgliedern stellen gerne diesbezügliche Informationen zur Kommunikation mit Verordnenden zur Verfügung, s. Stichwortinfo Regresssicher Verordnen
Bisherige Prüfungen
Die Anzahl durchgeführter Prüfverfahren in Sachsen-Anhalt lag im Jahr 2017 bei insgesamt 0 Verfahren, 2018 bei 11 und 2019 bei 8 Verfahren bezogen auf über 3.915 Ärzte. Es waren somit selbst im Jahr 2018 nur 0,28 % der Ärzte in Sachsen-Anhalt überhaupt von einer Prüfung betroffen.
Die Hälfte dieser Fälle ließ sich direkt über besondere Verordnungsbedarfe aus der Welt schaffen. Der Rest erhielt eine Beratung.
Ein Regress stellt lediglich das allerhärteste Mittel dar, das in vielen Fällen keine Anwendung findet. 2017 und 2018 wurden demzufolge gar keine Regresse ausgesprochen. Für das Jahr 2019 war die Prüfung noch nicht abgeschlossen. Ein anderes Ergebnis wird auch hier jedoch nicht erwartet.
Informationen und Ausblick
Einzelheiten und Informationen speziell auch für Ärztinnen und Ärzte finden sich auf den Seiten der KV Sachsen-Anhalt.
Trotz der Tatsache, dass Regresse wie weiter oben belegt die Ausnahmen darstellen, sind die Prüfverfahren mit negativen Emotionen, Ängsten und Befürchtungen verbunden, sodass Wirtschaftlichkeitsprüfungen dennoch bekanntermaßen negative Auswirkungen auf das Verordnungsverhalten haben.
Zu allem Überfluss ist die Zuhilfenahme von reinen Abrechnungsdaten, wie die des GKV-Heilmittelinformationssystems (GKV-HIS), bei solchen Verfahren problematisch, da diese eben nur Aussagen über die Abrechnung zulassen, jedoch in keiner Weise Versorgungsbedarfe beziffern.
Zudem haben diese Daten auch qualitative Mängel, auf die wir regelmäßig hinweisen.
Der BED setzt sich aus diesen Gründen auch weiterhin für eine Abschaffung der Wirtschaftlichkeitsprüfungen ein und fordert stattdessen eine volkswirtschaftliche Gesamtrechnung, in der die Ausgaben eines Bereiches ihren Effekten gegenübergestellt werden.