Veröffentlicht am 07.02.2025

Im Vorfeld der Bundestagswahl am 23.02.2025 lesen Sie hier die aktuelle Ausgabe unserer Artikelserie.
Neutrale Berichterstattung
Wie immer versuchen wir an dieser Stelle eine möglichst neutrale Zusammenfassung der Forderungen aus den Wahlprogrammen mit dem Schwerpunkt auf wirtschaftliche und gesundheitspolitische Vorhaben der Parteien.
Dabei nutzen wir den üblichen Schleier den Vergessens und hinterfragen nicht, wer wann was gesagt, gefordert, getan oder unterlassen hat oder gar in Regierungsverantwortung war, sondern nehmen die Wahlprogramme strikt als Versprechen für die Zukunft und ordnen diese Versprechen ein.
Diese Einordnung der Wahlprogramme am Artikelende erfolgt natürlich aus unserer Perspektive – also subjektiv, um möglicherweise noch Aspekte anzusprechen, die auf den ersten Blick nicht sofort ins Auge springen.
Nachdem wir alle Wahlprogramme vorgestellt haben, werden wir abschließend eine Übersicht der einzelnen Forderungen erstellen. Hierbei legen wir dann insbesondere den Fokus auf die Umsetzbarkeit und die möglichen Auswirkungen auf Therapierende, um die Versprechen der Wahlprogramme nicht ohne Kontext einfach zu wiederholen.
Wahlprogramm Die Linke
Die Linke hat am 18.01.2025 ihr Wahlprogramm beschlossen.
Im Wahlkampf setzt Die Linke auf Themen wie bezahlbare Mieten, niedrige Lebenshaltungskosten, Milliardärssteuer und Friedenspolitik.
Aktive staatliche Wirtschaftspolitik
Um auf die globalen Herausforderungen besser reagieren zu können, wünscht sich Die Linke eine gezielte staatliche Industriepolitik. Statt höherer Rüstungsausgaben und des Ausbaus von Bundeswehrstützpunkten wünscht sich Die Linke Investitionen in Solartechnik und die Förderung von zukunftsorientierter ziviler Forschung und Hochtechnologie. Dazu brauche es klare und langfristige Zielvorgaben für den Umbau der Industrie und Wirtschaft. Die Entscheidung der Regierung, industriepolitisch blind auf den Markt zu vertrauen, sei fatal gewesen. Dies hätte zu einem massenweisen Verlust von Arbeitsplätzen in Zukunftssektoren wie beispielsweise Solarenergie und Windkraft geführt.
200 Milliarden Euro für den Umbau der Industrie
Die Linke fordert einen Investitionsfonds mit 200 Milliarden Euro. Daraus sollen künftig Unternehmen entweder mit langfristigen Krediten oder im Austausch für Gesellschaftsanteile beim klimagerechten Umbau unterstützt werden. Dabei sollen Beschäftigte einen Kredit erhalten, wenn sie einen Betrieb selbst übernehmen und genossenschaftlich weiterführen wollen.
65 Milliarden Euro jährlich für den Klima- und Transformationsfonds (KTF)
Mit dem aufgestockten Klima- und Transformationsfonds (KTF) sollen Anschubfinanzierungen für neue Batterietechnologien und Energiespeicher oder für die Herstellung und den Transport von Wasserstoff geleistet werden. Zudem soll ein Industriestrompreis ermöglicht werden, der die energieintensive Industrie in der Transformation unterstützt.
20 Milliarden Euro aus dem KTF sollen für einen Rettungsschirm für die Zuliefererbetriebe in der Automobilindustrie zur Verfügung stehen.
Kein Steuergeld ohne Gegenleistung
Staatliche Gelder für Unternehmen sollen dabei an langfristige Garantien für die Beschäftigten zu Tarifverträgen, Standortverpflichtungen und verbindlichen Investitionsplänen gebunden werden. Betriebe, die betriebsbedingte Kündigungen aussprechen und sich nicht an Beschäftigungsvereinbarungen halten oder ökologische Standards ignorieren, müssen Fördergelder zurückzahlen. Die Linke möchte gezielt Anteile an Unternehmen erwerben, die eine Schlüsselrolle im gewünschten Systemwechsel einnehmen. Die öffentliche Steuerung und Finanzierung von Schlüsselbranchen soll dabei durch die Gründung von Industriestiftungen und anderen öffentlichen Beteiligungsformen erfolgen.
Mehr Mitbestimmung
In den Regionen, die vom Strukturwandel betroffen sind, will Die Linke Wirtschafts- und Transformationsräte einsetzen, die den Umbau vor Ort mitgestalten. Neben Landesregierungen, Kommunen und Unternehmen sollen auch Gewerkschaften, Betriebsräte, Beschäftigte sowie Umwelt- und Sozialverbände hier ein gleichberechtigtes Stimmrecht haben. Die Linke fordert, dass Betriebsräte in wirtschaftlichen Fragen ein Mitbestimmungsrecht bekommen.
Es sollte keine Milliardäre geben
Die Linke setzt sich für eine Wiedereinführung der Vermögenssteuer ein. Der Steuersatz soll von 1% ab 1 Million Euro Vermögen bis 5 % ab einem Vermögen von 50 Millionen Euro reichen. Oberhalb eines Vermögens von 1 Milliarde Euro soll ein Sondersteuersatz von 12 % greifen. Das erklärte Ziel von Die Linke: Milliardäre abschaffen. So erhofft sich Die Linke jährliche Mehreinnahmen von 108 Milliarden Euro.
Kleine und mittlere Einkommen entlasten
Für die geplanten Entlastungen stellt Die Linke die Faustregel auf: Wer als Single mit Steuerklasse 1 weniger als 7.000 Euro brutto monatlich verdient, zahlt weniger Steuern als bisher.
Einkommen unterhalb von 16.800 Euro jährlich bleiben steuerfrei. Höhere Einkommen sollen stärker besteuert werden. Ab 85.000 Euro brutto jährlich soll der Spitzensteuersatz von 53 % greifen. Dann tritt die Reichensteuer ab 250.000 Euro brutto jährlich mit 60 % und 75 % ab 1 Million Euro brutto jährlich ein.
Der Solidaritätszuschlag soll erhalten bleiben. Kapitalerträge sollen genauso besteuert werden wie Arbeitseinkommen. Für Manager und Vorstandsgehälter soll eine Obergrenze eingeführt werden.
Grundnahrungsmittel, Hygieneprodukte und Tickets für Bus und Bahn sollen von der Mehrwertsteuer entlastet werden. Rentner*innen, Auszubildende und Studierende sowie Beschäftigte, die bisher keinen Anspruch darauf hatten, sollen einen einmaligen steuerfinanzierten Inflationsausgleich bekommen.
Keine Steuer-Schlupflöcher für Reiche
Für Superreiche sollen die Steuersätze für Schenkungen und Erbschaften erhöht werden.
Die Freibeträge bei der Erbschaftssteuer sollen auf 200.000 Euro vereinheitlicht werden, unabhängig davon, ob ein Verwandtschaftsgrad besteht oder nicht. Pro Erbschaft soll eine Immobilie bis zu 200 qm von der Erbschaftssteuer befreit werden, wenn sie selbst genutzt wird. Steuervorteile für Investitionen in Immobilien sollen abgeschafft werden.
Durch diese Änderungen erwartet Die Linke jährliche Mehreinnahmen in Höhe von 17 Milliarden Euro.
Konzerne an Kosten beteiligen
Die Linke will die Körperschaftssteuer auf 25 % anheben und sich dafür einsetzen, dass auch der globale Mindeststeuersatz auf 25 % angehoben wird. Profite dürften zukünftig nicht mehr ins Ausland verlagert und der Besteuerung entzogen werden. Steuerflucht soll mit internationaler Absprache unattraktiv werden. Die Gewerbesteuer soll in eine Gemeindewirtschaftssteuer umgewandelt werden. Gutverdienende Selbstständige und Freiberufler*innen sollen künftig mit einbezogen werden. Der steuerliche Freibetrag soll dabei auf 30.000 Euro angehoben werden. Hier rechnet Die Linke mit weiteren 18 Milliarden Euro Mehreinnahmen für den Bundeshaushalt.
Finanztransaktionen
Mit der Einführung einer Finanztransaktionssteuer möchte Die Linke sogenannte Hochfrequenzhändler an den Finanzmärkten treffen. Hier soll ein Steuersatz von 0,1% für jede Transaktion in der Summe 36 Milliarden Euro Mehreinnahmen in den Bundeshaushalt spülen und gleichzeitig die Finanzmärkte stabilisieren.
Zudem sei Deutschland derzeit ein Paradies für Finanzkriminalität und Geldwäsche. Die Strafverfolgungsbehörden und Finanzämter müssten personell verstärkt werden und vermehrt Prüfungen bei Wohlhabenden durchführen. Ein Unternehmensstrafrecht soll dazu beitragen, dass auch große Konzerne zur Verantwortung gezogen werden.
Schuldenbremse
Die Linke tritt für die Abschaffung der Schuldenbremse ein. In den nächsten 10 Jahren müsse der Staat schätzungsweise 600 Milliarden Euro aufwenden um Infrastruktur, Wirtschaft und Gesellschaft zukunftsfähig zu machen.
Gesundheit
Bei der Betrachtung der aktuellen Gesundheitsversorgung in Deutschland spricht Die Linke Klartext: Bloß nicht krank werden bliebe aktuell als einzige Hoffnung. Wer arm ist, stirbt im Durchschnitt früher, wird häufiger schwer krank oder pflegebedürftig. Schuld daran seien u.a. schlechte Arbeits- und Wohnbedingungen, prekäre Lebensverhältnisse, eine mangelhafte Förderung von Prävention und gesunden Lebensweisen - aber auch unzureichender Zugang zu medizinischer Behandlung sei ein Grund. Die Lösung soll eine wohnortnahe, kostenlose Gesundheitsversorgung sein.
Finanzierung
Die Linke setzt sich für eine solidarische Gesundheits- und Pflegeversicherung ein. Alle Bürger*innen sollen hier einzahlen, Beiträge werden auf alle Einkommen – also auch auf Kapitalerträge - erhoben. Der Wettbewerb unter den Krankenkassen solle entfallen. So könnte der Krankenversicherungsbeitrag auf ca. 13,3 % abgesenkt werden.
Stationäre Versorgung
Die Refinanzierung der notwendigen Betriebskosten der Krankenhäuser soll von den Krankenkassen vollständig übernommen werden. Die Länder müssten bei der Finanzierung der Investitionskosten nachhaltiger agieren und ihren Verpflichtungen nachkommen. Die Fallpauschalen sollen vollständig abgeschafft werden. Dadurch würden Gewinne und Verluste weitgehend unmöglich. Private Konzerne sollen zwar weiterhin Krankenhäuser betreiben dürfen, Die Linke kalkuliert aber ein, dass das Interesse ohne Gewinnmöglichkeit für private Investoren zukünftig ausbleibt. Krankenhäuser, die von privaten Betreibern aufgegeben werden, sollen dann mit Hilfe eines Re-Kommunalisierungsfonds in die öffentliche Hand überführt werden.
Ambulante Versorgung
Kommunale Versorgungszentren sollen das Rückgrat der wohnortnahen Gesundheitsversorgung werden. Sie sollen zentrale Anlaufstelle für Patient*innen sein und die ambulante Versorgung mit akutstationären, notfallmedizinischen, psychotherapeutischen, (gemeinde-) pflegerischen und weiteren therapeutischen Behandlungen verbinden. Stationäre und ambulante Versorgung will Die Linke gemeinsam im Interesse des Gemeinwohls planen und gestalten.
Entlastung für Beschäftigte
Die Linke setzt sich für flächendeckende Entlastungstarifverträge und bessere Arbeitsbedingungen ein. Sie fordert eine bundesweite Offensive zur Rückanwerbung von Pflegekräften und anderen Gesundheitsarbeiter*innen, die ihren Beruf verlassen haben. Eine Ausbildungsoffensive, die Refinanzierung von Tarifverträgen und die Anerkennung von allgemeinverbindlichen Tarifverträgen werden ebenfalls gefordert.
Mehr Kompetenzen für Gesundheitsberufe
Apotheker*innen, Pflegekräfte, Therapeut*innen, Hebammen, medizinische Fachangestellte und Notfallsanitäter*innen sind für eine gute Versorgung unentbehrlich. Sie sollen stärker eigenverantwortlich behandeln und beraten können. Die Linke will die Befugnisse der Heilberufe ausweiten und eine flächendeckende Versorgung gewährleisten.
Einordnung
Beim oberflächlichen Lesen des Wahlprogramms meldet sich unwillkürlich das soziale Gewissen: Die Linke positioniert sich sehr klar als „Anwalt der kleinen Leute“.
Deutlich wird dies auch an den Berechnungen verschiedener Institute zu den möglichen finanziellen Auswirkungen der Wahlprogramme auf die unterschiedlichen Einkommensgruppen.
Das Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) hat ermittelt, dass die Vorschläge von Die Linke insbesondere bei den unteren Einkommensgruppen für Entlastung sorgen würde. Bei einem Bruttoeinkommen von bis zu 10.000 Euro jährlich würde sich das verfügbare Einkommen um fast 30 % erhöhen und bei Einkommen bis zu 20.000 Euro brutto jährlich würde die Steigerung immerhin noch 12,4 % betragen. Die Einkommensgruppe mit einem jährlichen Bruttoeinkommen von bis zu 2 Millionen Euro hätte hingegen 27 % weniger verfügbares Einkommen. (Quelle: ZEW)
Auch in der Einordnung und Problembeschreibung liegt Die Linke – wie im Bereich Gesundheit – sicher in vielen Punkten richtig. Schaut man dann allerdings auf die angebotenen Problemlösungen, scheint eine (politische) Umsetzbarkeit unwahrscheinlich.
Es dürfte eigentlich Konsens sein, dass die demografische Entwicklung eine der größten Herausforderungen für unsere Gesellschaft darstellt. In ihrem Wahlprogramm geht Die Linke nur an einer Stelle auf dieses Stichwort ein, indem sie behauptet: „Die gesetzliche Rente hat kein Demografie-, sondern ein Gerechtigkeitsproblem“. Wir sind bereits mitten in der ersten Phase der demografischen Entwicklung. Die Linke hofft allein durch eine Verbesserung der Arbeitsbedingungen tausende von Pflegefachkräften zurück in den Beruf zu holen. Wie jedoch soll diese Verbesserung gelingen, wenn wir doch wissen, dass eben genau der Fachkräfteengpass zu einer mittlerweile absurd hohen Arbeitsverdichtung speziell in der Pflege führt?
Diese Überlegungen scheinen ebenso undurchdacht wie die Vorstellung, dass die Struktur unserer stationären Versorgungslandschaft – gerade unter den Bedingungen der Demografie – so erhalten bleiben kann, wenn sie nur zurück in die Verantwortung der öffentlichen Hand kommt. Die Realität fordert Konzepte, die Operationen vermeiden, Versorgung effizienter machen und alles daran setzen um Krankheits- und Pflegefälle zu reduzieren. Solche Konzepte sind im Wahlprogramm von Die Linke nicht ansatzweise zu erkennen.