Veröffentlicht am 07.06.2022
Die bereits zugesagte Schulgeldfreiheit für Gesundheitsfachberufe wurde in Thüringen aufgrund der Haushaltslage zurückgenommen. Der Landtag hatte im Februar auf Drängen der CDU-Fraktion eine Globale Minderausgabe von 330 Millionen Euro beschlossen.
Die Entscheidung der Regierung, die Schulgeldfreiheit allein aufgrund bislang fehlender gesetzlicher Grundlage mit in die Minderausgabe zu subsumieren, ist fatal, denn in Thüringen gelten die Berufe der Gruppe „Nicht ärztliche Therapie und Heilkunde“ nach Auskunft der Bundesagentur für Arbeit schon heute als Engpassberufe. Der Bedarf für diese Berufe steigt im Zuge der demografischen Entwicklung in den kommenden Jahren weiter an.
Über 1000 Schüler*innen und Schüler der Gesundheitsfachberufe in Thüringen sind direkt von den Kürzungen betroffen. Dabei sind es gerade diese Berufe, zu denen auch die Ergotherapie zählt, die die gesundheitliche Versorgung sichern.
Gesundheitsfachberufe verkürzen Arbeitsunfähigkeitszeiten, sorgen für die Rehabilitation nach Erkrankungen, sichern die Rückkehr an den Arbeitsplatz und reduzieren Pflegeaufwendungen von Erwerbstätigen bei Angehörigen.
Allein aufgrund von Arbeitsunfähigkeit betrug der Verlust an Bruttowertschöpfung nach Angaben des Statistischen Bundesamtes im Jahr 2020 in Deutschland 144 Milliarden Euro.
Gesundheitsfachberufe sind aufgrund dieser Tätigkeiten in der Prävention, Akutbehandlung, Rehabilitation und Pflege daher ein Wirtschaftsfaktor.
Der Bedarf für ergotherapeutische Leistungen ist in Thüringen bereits jetzt besonders hoch. Je 1000 Versicherten wurden nach Angaben des Heilmittelinformationssystems der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-HIS) im Jahr 2021 in Thüringen 548 ergotherapeutische Behandlungen erbracht und damit 168 Behandlungen mehr als im Bundesdurchschnitt mit 380 Behandlungen je 1000 Versicherten. Allein zum Vorjahr ist dies für Thüringen eine Steigerung von knapp 8 %.
Dieser Bedarf ist absehbar auch durch die besonders hohe Krankheitslast in Thüringen begründet. Das Institut für Gesundheitssystemforschung der Barmer bescheinigt dem Land Thüringen den mit Abstand höchsten Morbiditätsindex bundesweit.
In diesem Zusammenhang erscheint die Rückwärtsrolle der Verantwortlichen in Thüringen bei der Schulgeldfreiheit mehr als fahrlässig.
Zugleich erfahren die Schülerinnen und Schüler in den Gesundheitsfachberufen eine ungeheure Geringschätzung und Benachteiligung, wodurch unweigerlich schon zu Beginn der Ausbildung die Entscheidung für einen dieser wichtigen Berufe als Fehlentscheidung erlebt wird.
Die Fraktionen im Thüringischen Landtag müssen verstehen, dass die Abkehr von der Schulgeldfreiheit keine Option ist.
Der Bundesverband für Ergotherapeuten in Deutschland, BED e. V. appelliert deshalb eindringlich an die Verantwortlichen, sich für eine schnelle Lösung einzusetzen.
Mettlach, 07. Juni 2022
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