Veröffentlicht am 05.05.2023
In Schleswig-Holstein fielen uns die Heilmittelzielvereinbarungen zwischen Krankenkassen und Kassenärztlicher Vereinigung bereits häufiger auf. (siehe Artikel "Realsatire oder Wahnsinn mit System? – Mengensteuerung im Heilmittelbereich" ). Die jüngste Vereinbarung für das Jahr 2023 veranlasste uns dazu, die daraus resultierenden Probleme nochmals genauer zu betrachten und zusammenzufassen (BED konkret: Die ergotherapeutische Versorgung in Schleswig-Holstein) und gezielt Gespräche mit den Fraktionen in Schleswig-Holstein aufzunehmen.
Die Erkenntnisse aus der Auswertung zu den Heilmittelzielvereinbarungen sind ernüchternd:
- Psychische Erkrankungen verursachten 2021 in Schleswig-Holstein 319 Fehltage je 100 Versicherten. Von 2011 bis 2021 nahm die Anzahl der Fehltage aufgrund psychischer Erkrankungen in diesem Bundesland um 50 Prozent zu
- 2022 stieg die Zahl der AU-Tage erneut auf das Rekordniveau von 352 Fehltage je 100 Versicherten
- Nicht einmal jeder fünfte Versicherte, bei dem eine Indikation für eine ergotherapeutische Versorgung vorliegt, erhält diese Leistung
- Die Verordnungsquoten der Ergotherapie liegen weit unter den Quoten anderer Bereiche
- In der ergotherapeutischen Versorgung haben sich die Behandlungszahlen gerade erst von dem pandemiebedingten Einbruch erholt
- Pandemieunabhängig gab es bereits 2017 einen deutlichen Rückgang der Behandlungszahlen, der zeitlich mit der Einführung von Mengenzielen in den Heilmittelzielvereinbarungen zusammenhängt
- Ungeachtet dieser Tatsache wurde durch die zwischen der Kassenärztlichen Vereinigung und den Kassen vereinbarte Heilmittelzielvereinbarung die Verordnung von psychisch-funktionellen Leistungen der Ergotherapie in den Jahren 2022 und 2023 mit einem Mengensenkungsziel von -10 % bedacht
- Die Selbstverwaltung beschneidet hier bewusst die Mittel, die notwendig sind, um auf einen Anstieg der Anzahl psychischer Erkrankungen zu reagieren
- Heilmittelzielvereinbarungen in Schleswig-Holstein orientieren sich erkennbar nicht am Versorgungsbedarf und gefährden somit akut die Versorgung
- Grundlage für die Vereinbarung zwischen KV und Kassen sind in erster Linie Daten des GKV-HIS, welches erhebliche Qualitätsmängel aufweist
- Speziell bei der Versorgung mit psychisch-funktioneller Ergotherapie sollen 2022 und 2023 10 % weniger Behandlungen erfolgen, aber auch andere (z.B. physiotherapeutische) Leistungen wurden mit deutlichen Mengensenkungszielen bedacht
- Die für 2023 vereinbarten Ziele werden aufgrund von Daten festgelegt, die noch gar nicht zur Verfügung stehen
- Ein erheblicher volkswirtschaftlicher Schaden durch Fehlversorgung ist zu erwarten.
Während sich das Gesundheitsministerium bisher auf Nachfrage der Fraktion Bündnis90/Die Grünen noch etwas bedeckt hält, zeigten sich die SPD und Bündnis90/Die Grünen sehr besorgt über die getroffenen Vereinbarungen. Gemeinsam mit der IGThera-SH, einer verbandsunabhängigen Interessenvertretung für alle Therapeut*innen in Schleswig-Holstein, konnten wir die Probleme verdeutlichen und auch andere Themen wie die Notwendigkeit eines Monitorings für Gesundheitsfachberufe und die unverhältnismäßig hohen Zuzahlungen in der ambulanten Heilmittelversorgung einbringen.
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