Veröffentlicht am 16.05.2025
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Die Frage des Monats im Februar widmete sich dem Thema: Sind die aktuellen Preise in der ambulanten Ergotherapie wirtschaftlich?
Nachdem der BED e.V. die Preisverhandlungen 2024 für gescheitert erklärt und die Schiedsstelle angerufen hatte, einigten sich der GKV-Spitzenverband und der DVE im vergangenen Jahr auf neue Preise, die angeblich die Wirtschaftlichkeit sicherstellten.
Alle 3 Organisationen sind Teil der Schiedsstelle, die bei strittigen Honorarverhandlungen im Heilmittelbereich angerufen wird. Wichtig zu wissen: Die Schiedsstelle ist kein Gericht, sondern entscheidet ausschließlich auf Basis von Mehrheiten.
Die Zusammensetzung der Schiedsstelle ist dabei klar geregelt:
- Der GKV-Spitzenverband stellt 4 Stimmen,
- der DVE 2 Stimmen,
- der BED 2 Stimmen,
- zusätzlich gibt es 3 Unparteiische, jeweils mit einer Stimme.
Durch die Einigung zwischen GKV-SV und DVE auf 1,17 Euro die Minute kam es so zu einer rechnerischen Mehrheit von 6 zu 5 Stimmen – also genug, um die Entscheidung in der Schiedsstelle alleine durchzusetzen, ohne auch nur eine der Stimmen der Unparteiischen oder die des BED e.V. dafür zu benötigen.
Doch wie bewerten die Praxen diese Preise?
Wir haben die gefragt, die es betrifft: Ergotherapiepraxen im ambulanten Bereich. Konkret wollten wir wissen, ob der zuletzt festgelegte Preis der GKV im Jahr 2024 mit 1,17 €/Minute aus Sicht der Praxen eine wirtschaftliche Praxisführung ermöglichen.
Ergebnis:
Zwei Drittel der Ergotherapiepraxen sehen KEINE wirtschaftlichen Preise
Das Votum der Teilnehmenden fiel sehr klar aus: 75 % verneinten die Wirtschaftlichkeit der Preise, 20 % sahen die Preise für die eigene Praxis als wirtschaftlich und 5 % waren unentschlossen und konnten die Frage nicht beantworten.
Sehr viele der Befragten nutzten die Möglichkeit für zusätzliche Kommentare zur Fragestellung.
Interessant waren dabei vor allem die Kommentare derjenigen, die für die eigene Praxis die Preise für wirtschaftlich halten. Sie räumten ein, dass die Wirtschaftlichkeit ihrer eigenen Praxis im Grunde nur durch die volle Mitarbeit der Inhabenden sowie durch Abstriche bei den Gehältern der Mitarbeitenden und Einsparungen bei den Investitionen erreichbar ist.
Kurzum: Die Preise sind für jene Befragten nur deshalb wirtschaftlich, weil sie ihre gesamte Arbeitszeit der Umsatzgenerierung (auf Kosten ihrer Management- und Unternehmeraufgaben) widmen, ihren Mitarbeitenden kein TVÖD-Entgelt bezahlen (können) und auf notwendige Investitionen weiterhin verzichten.
Und genau solche „Maßnahmen“ dürfen nicht Grundlage einer Wirtschaftlichkeitsberechnung sein. Vielmehr ist die tatsächliche Praxisrealität das Maß der Dinge. Anders ist eine langfristig gesicherte und qualitativ hochwertige Heilmittelversorgung nicht möglich.
Generell wurde in Zusammenhang mit den Preisen als großes Problem erneut das Thema der viel zu hohen Zuzahlungen angesprochen – Therapieverzicht eingeschlossen. Wir berichteten.
Antworten: Darum sind die Preise nicht wirtschaftlich
Diejenigen, die die Preise als nicht wirtschaftlich bezeichnen, nannten folgende Gründe:
- Betriebswirtschaftliches Risiko nicht nachhaltig gedeckt
- Deutlich gestiegene monatliche Fixkosten (Miete, Versicherungen, Verbrauchsmaterialien, Dienstleistungen etc.)
- Rücklagenbildung nicht möglich
- Investitionen nur über Kredite möglich
- Höhere Gehälter bei Einhaltung aller Vorgaben nicht möglich
- Dies führt zu dem Gefühl von Fließbandarbeit und in der Folge zu mehr Fluktuation bei den Mitarbeitenden
- Vakante Stellen können schwer nachbesetzt werden
- Zentren und stationäre Einrichtungen zahlen deutlich höhere Gehälter und bieten Wechselboni an →In der Folge kommt es zur Abwanderung von Mitarbeitenden in den stationären Sektor
- Umsatzausfall durch Krankheitswellen mit hohen Ausfallquoten insbesondere in der Pädiatrie
- Angst vor Nullrunden oder vor der Rückkehr zur Grundlohnsummenanbindung
- Stark gestiegene Anzahl von Absetzungen durch die Krankenkassen
- Deutlicher Nachholbedarf für Investitionen und Altersrückstellungen durch die schlechte Vergütung der letzten Jahre, insbesondere vor 2019
- Zu geringe Vergütung von Gruppenbehandlungen
Zudem wurde die deutlich schlechtere Liquidität durch die Blankoversorgung als zusätzliche Belastung benannt.
Die Situation in den Praxen
Therapeut*innen sind keine Kaufleute. Sie verwalten keine Zahlen, sondern versorgen Menschen mit sehr individuellen Problemen, Lebensläufen und persönlichen Ressourcen. Die Befragten schildern die Situation in den Praxen sehr eindrücklich. Es sind die Therapeut*innen, die ihre Klient*innen über die absurd hohen Zuzahlungen informieren und diese kassieren müssen und auch erleben müssen, wie Menschen sich Therapie schlicht nicht leisten können. Therapien werden nach gestellten Ausfallrechnungen abgebrochen, Klient*innen – häufig auch Kinder – erscheinen entweder krank zur Behandlung aus Angst vor Ausfallrechnungen und müssen wieder nach Hause geschickt werden oder Therapien werden „vorsichtshalber“ abgesagt.
Wartelisten werden immer länger, teilweise werden diese auf Grund unzähliger Anfragen gar nicht mehr geführt, wirtschaftlicher Druck steht medizinischen Kriterien diametral gegenüber. In einigen Regionen bleiben Hausbesuche bereits zunehmend unversorgt. Krankenkassen sorgen mit ungerechtfertigten Absetzungen für zusätzliche Unsicherheit.
Einordnung
Die Teilnehmenden benennen sehr detailliert Gründe dafür, dass die Preise in der Ergotherapie nach wie vor nicht wirtschaftlich sind. Dabei gelingt die Einordnung zur Fragestellung nicht immer ohne Probleme. So ist fehlende Liquidität ein Problem der Zahlungsfähigkeit und nicht Zeichen für Unwirtschaftlichkeit, ebenso wenig sind Preise wirtschaftlich, wenn zu diesem Zweck zwingend Einsparungen bei Gehältern, Mehrarbeit der Inhabenden oder der Verzicht auf Investitionen erforderlich sind.
Die Art der Beantwortung zeigt eindrücklich, dass Therapierende in erster Linie die Versorgung ihrer Klient*innen antreibt – das ist ihre Profession und ihre Stärke. Ein Gesundheitssystem, das den gleichen Fokus hätte, würde diesem Land eine deutlich bessere Gesundheitsversorgung und damit verbunden eine bessere gesamtwirtschaftliche Lage bescheren.
Dafür setzen wir uns als BED weiterhin in den Verhandlungen, vor der Schiedsstelle und auch in den anhängigen Gerichtsverfahren ein.
Wir danken allen Teilnehmenden für diese wichtigen Einblicke.