Veröffentlicht am 09.08.2024
Ein persönlicher Kommentar von Volker Brünger
Foto: privat
Als Gesundheitsökonom mit besonderem Interesse für die Heilmittelversorgung pflege ich mit dem Heilmittelreport der BARMER eine besondere Beziehung.
Die älteren Ausgaben unter Federführung von Gerd Glaeske und Claudia Kemper habe ich häufiger zitiert. Hier wurden tatsächlich besondere Versorgungsaspekte diskutiert und selbst für Krankenkassen unangenehme Aspekte aufgegriffen.
Seit 2016 habe ich jährlich für unterschiedliche Institutionen (Vereinte Therapeuten, Therapeuten am Limit, BED e.V.) den Report jeweils einer kritischen Bewertung unterzogen. Die ehemals wertvollen Berichte zur Heilmittelversorgung wandelten sich zusehend in reine politische Statements, dem Zeitgeist entsprechend bunt gestaltet und mit angeblichen Fakten versehen.
Dass der BARMER Heilmittelreport aktuell lediglich als Stellungnahme und nicht als Forschungsarbeit bewertet werten kann, bestätigte das Bundesamt für soziale Sicherung als zuständige Aufsichtsbehörde aufgrund der Intervention durch den BED e.V. bereits 2022. (https://www.bed-ev.de/artikel/artikel.aspx?id=7506)
Nicht in diesem Jahr
Gut erholt aus dem Sommerurlaub zurück war eines der ersten Dokumente in meinem Postfach wieder der BARMER Report. Na gut – also wieder lesen, Faktencheck und Gegendarstellung schreiben – so zumindest der Plan.
Doch der erste Überblick zeigte schon (wie erwartet) die üblichen Behauptungen, falsche Quellenangaben, Zitationsfehler, zusammengeklöppelte Sozialdaten, gezielte Unterlassungen und das ganze wieder garniert mit politischen Statements.
Nee, Freunde, dieses Jahr nicht.
Warum soll ich wieder wertvolle Zeit für den Quatsch aufwenden und dem „Report“ mehr Aufmerksamkeit schenken, als ihm gebührt?
Was soll das eigentlich?
Betrachtet man den Report einmal im Hinblick auf seine politische Botschaft, so kann es einen wirklich nur schütteln. Die Botschaft der BARMER lautet allen Ernstes: „Die Praxisinhaber sind alle Hühnerdiebe und gönnen ihren Angestellten nicht das Schwarze unter den Fingernägeln“.
In einem relativ kleinen Versorgungsbereich, der weder politisch noch in der Öffentlichkeit besonders beachtet wird, der aber erhebliche Potenziale für die Bewältigung der demografischen Herausforderung birgt, nimmt eine Körperschaft öffentlichen Rechts Versichertengelder in die Hand, um aktiv eine Spaltung zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern zu befeuern und damit gezielt die Versorgung der eigenen Versicherten zu gefährden.
Was hat die BARMER davon (außer Kosten zulasten ihrer Versicherten) und was ist der Plan dahinter?
Ich kenne niemanden in der Branche oder in der Politik, der nicht – auf den Report angesprochen – müde lächelnd abwinkt.
Selbst die Bundesregierung kann mit dem „Report“ wenig anfangen. Staatssekretärin Sabine Dittmar antwortete jüngst auf eine schriftliche Frage der Fraktion DIE LINKE. zum BARMER-Report:
„Es bestehen jedoch Bedenken dahingehend, ob es zielführend ist, die im Heilmittelreport der Barmer verwendeten Daten – und zudem ohne Berücksichtigung weiterer Faktoren – zueinander in Bezug zu setzen und daraus zu schlussfolgern, die Gehälter der Therapeutinnen und Therapeuten seien in dem in Rede stehenden Zeitraum nur unzureichend gestiegen...“
Sind das also die letzten Zuckungen einer Kasse, die nach Fusionspartnern sucht oder haben sich hier einfach Prozesse verselbstständigt?
Verständnis? Nur bedingt.
Verständnis habe ich durchaus für die beauftragten Autoren des Reports, die ohne große Bindungen zur Heilmittelbranche ihren Job erledigen und dies scheinbar so gut, dass die angeblichen Ergebnisse unreflektiert und ungeprüft in verschiedenen Medien verbreitet werden.
Wenig Verständnis habe ich für Therapeutinnen und Therapeuten, die ihre Versicherungsbeiträge durch die Mitgliedschaft bei der BARMER für die Agitation gegen ihren eigenen Berufsstand zur Verfügung stellen.
Überhaupt kein Verständnis habe ich für Berufsangehörige, die beratend an einem Report in einem solchen Format und mit der bekannten Stoßrichtung mitarbeiten. Physio Deutschland wäre gut beraten, einmal in die eigenen Reihen zu schauen, wenn man gegenüber der Berufsgruppe glaubwürdig den Heilmittelreport kritisieren will.
Chance zur Geschlossenheit
Die Heilmittelbranche hat 2018 und 2019 gezeigt, was alles möglich ist, wenn man geschlossen agiert.
Bei der BARMER sind nach deren eigenen Angaben allein etwa 17.000 Physiotherapeutinnen und Physiotherapeuten versichert. Würden diese vielleicht noch mit Hilfe von Freunden und Angehörigen bei ihrer Versicherung – in welcher Form auch immer – intervenieren, wäre die Motivation für die BARMER, ihr Konzept für den Heilmittelreport zu hinterfragen, ungleich größer als durch alljährliche Gegendarstellungen von Heilmittelverbänden.
Keine Forschung!
Wichtig ist mir die oben bereits erwähnte Botschaft:
„Der BARMER Heilmittelreport ist keine Forschungsarbeit, sondern lediglich eine politische Stellungnahme!“
Folglich sollte das Zitieren bestenfalls gar nicht erst in Betracht gezogen werden oder zumindest im hier genannten Kontext.
Ausblick
Sofern die BARMER nach zwanzig Jahren die Kurve kriegt und zu alter Qualität und Stärke der Reporte zurückfindet, werde ich mich gerne im nächsten Jahr wieder im Detail mit dem Report befassen.
Für Rück- oder Nachfragen stehe ich den Leser*innen unter politik@bed-ev.de immer gerne zur Verfügung.
Volker Brünger